Nesselfieber

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Nesselfieber

Nesselfieber

Eros Demenos

Sie stammte, wie ihr Vorname unschwer erkennen ließ, aus dem hohen Norden und hatte viel zu schrill lackierte Fingernägel, als dass er sie sich in Wanderstiefeln hätte vorstellen können. Während er noch nach einer akzeptablen Begründung suchte, um ihr Anliegen einigermaßen höflich abzuschmettern, hatte sich schon sein junger Kollege Thomas ins Gespräch gedrängt. "Warum nicht, wir könnten doch zu dritt gehen, ich wäre sofort dabei!" Damit hätte er rechnen müssen, denn dass Thomas schon seit zwei Wochen um die Praktikantin herum schwänzelte, hatte keiner der Kollegen übersehen können. Ihm fiel keine vernünftige Ausflucht ein, also musste er die Zwei wohl mitnehmen. "Ihr wisst schon, dass man vernünftige Wanderschuhe braucht? Und nehmt Euch eine Brotzeit und genug Wasser mit, ich bin nicht sicher, dass die Hütten alle offen haben."

Die Zeiger der Bahnhofsuhr rückten voran und seine Stimmung begann zu sinken. Genau das hatte er befürchtet, seine Wegbegleiter erwiesen sich schon vor Fahrtantritt als unzuverlässig. Noch zwei Minuten bis zur Abfahrt, na vielleicht würde er doch noch allein wandern. Er wollte gerade einsteigen, da sah er die Zwei rennend aus der Unterführung kommen. "Sorry", schnaufte Jonas, "Svenja hatte ihre Sonnenbrille vergessen". Die Sonnenbrille war offensichtlich nicht das wichtigste Accessoire, das ihr fehlte. Während Peter mit Trekkinghose, Wanderschuhen und einer Multifunktionsjacke ganz ordentlich ausgerüstet war, hatte Svenja ihre Kleidung wohl eher nach modischen Gesichtspunkten ausgewählt. Eine enganliegende Stretchhose, ein Top mit Spaghettiträgern und eine Art Strickjacke kombiniert mit knallbunten Sportschuhen - damit war sie im Stadtpark sicher gut aufgehoben, aber am Berg?

Sie hatten keine Zeit mehr, das jetzt auszudiskutieren, der Zugbegleiter pfiff zur Abfahrt und sie sprangen schnell in den Waggon.

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Feurige Pflanze

schreibt Thunders

Ich mag solche Nessel-Geschichten, auch wenn das leicht sadistisch ist. Habe selbst ein paar geschrieben, in denen diese Pflanze einen prominenten Platz hat. Wobei sich da die Damen eher "freiwillig" in die Nesseln setzen. Deine Geschichte gefällt mir jedenfalls sehr gut! Gruß von Andreas

Gedichte auf den Leib geschrieben