300 Euro - Teil 15

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300 Euro - Teil 15

300 Euro - Teil 15

Grauhaariger

Meine Gespräche waren gut verlaufen und das Ende abzusehen. Mein Blick auf die Uhr sagte mir 12:10 Uhr. Meine Gedanken hingen kurz bei meiner Frau. Dominik und Dana sollten die Anstalt inzwischen wieder verlassen haben. In diesem Moment meldete sich mein Mobiltelefon. „Dominik“. Was will der denn jetzt von mir? Hektisch berichtete er: „Mama! Der Notarzt ist schon da und die bringen sie jetzt ins Krankenhaus. Ich muss…“. Aufgelegt.

Ich schluckte. „Sorry, five minutes!“ bat ich meine Gesprächspartner und verlies den Raum. Okay, ordnete ich meine Gedanken. Wenn die jetzt auf dem Weg in die Klinik sind, bekomme ich sowieso keine Auskunft. Mir war schlecht. Was könnte passiert sein? Dominik saß sicher mit im Rettungswagen. Dana – schei..e, ich hätte sie nicht fahren lassen dürfen! Ich musste da hin! Sofort.

Ich erklärte meinen Gesprächspartnern, dass es meiner Frau nicht gut ginge. Wir kamen überein, am Montag die letzten Feinheiten in einer Telefonkonferenz zu besprechen. Die grundlegenden Dinge, wo es um viel Geld ging, waren ja bereits fixiert. Ich bedankte mich für das Verständnis jedes Einzelnen und verabschiedete mich.

Eine knappe halbe Stunde später erreichte mich ein weiterer Anruf von Dominik. „Mama ist in der Notaufnahme. Die haben mir nur gesagt, dass sie sich um sie kümmern. Kommst Du?“

Ich versicherte ihm, bereits auf dem Weg zu sein. Er nannte mir auch die Klinik, in die sie sie gebracht hatten. Dann bekam ich einen Arzt ans Telefon. „Ihre Frau ist stabil. Melika geht es gut, soll ich Ihnen sagen und ihr Sohn darf gleich zu ihr! Fahren Sie langsam! Ach, da fällt mir noch ein: Ihre Frau möchte gerne einen Spezi!“

„Puuuuh!“ Große Anspannung viel von mir ab. Natürlich war es tragisch, dass meine Liebe in der Klinik lag. Aber es bestand offenbar keine allzu große Gefahr, wenn man der Aussage des Arztes Glauben schenken darf!

*****

„Die haben Mama gerade noch einmal zu einer Untersuchung rausgeschoben!“ Mit diesen Worten empfing mich unser Sohn bei meinem Eintreffen auf der Station in der Klinik. Ich nahm ihn in den Arm. Normalerweise lässt er sowas nicht gerne zu. Aber man konnte ihm ansehen, wie sehr ihn die Situation mitgenommen hatte. Vor allem die Sorge um seine Mutter.

„Wir waren bei meinem Vater,“ begann er zu erzählen. „Erst war alles ganz easy. Er hat sich sogar gefreut, dass es mir und meiner Mutter bei Dir so gut geht. Auch dass Mama so eine Kugel hat…“

„Sie fingen dann an, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Ich habe gesagt, sie sollen aufhören!“

Dominik pustete kurz. „Dann,“ er schaute mich irgendwie fragend an, „Mama hat mich in den Arm genommen und was von Entschuldigung gesagt.“ Dominik spielte unsicher mit seinen Händen. „Mein Vater saß da wie ein Häufchen Elend.“

Er nahm einen Schluck aus der Wasserflasche, die ich mitgebracht hatte. Wenn meiner Liebsten ein Spezi so wichtig ist, bekommt sie ihn auch! Und bei dieser Gelegenheit habe ich auch ein paar kleine Flaschen Wasser erstanden.

„Ich kann Dir nicht helfen, hat Mama dann zu meinem Vater gesagt;“ erzählte Dominik weiter. Dann sind wir gegangen. „Er hat uns nachgerufen, wir sollten doch bleiben. Aber Mama hat mich hinausgezogen.“

Ganz schön heftig; dachte ich mir und lobte ihn für das konsequente und schnelle handeln, als Dana zusammengebrochen war. „Wir wollten zur U-Bahn und standen schon an den Treppen, als Mama sich zu mir drehte. Sie ist einfach zusammengesackt. Ich glaub, ich konnte den Sturz ein wenig abfangen! Aber wenn sie die Treppen runter…“ Dominik kämpfte mit den Tränen.

„Du hast alles richtig gemacht!“ ermunterte ich ihn.

Zwei Schwestern schoben das Bett mit Dana den Gang entlang. Erstmal konnten wir uns nur ganz kurz mit einer Hand berühren. „Wir schieben ihre Frau rein und dann gehört sie ganz Ihnen!“ meinte eine der beiden. Sie bugsierten das Bett durch die Türe und stellten es in die richtige Position. Dana streckte schon beide Arme nach mir aus. Jetzt weiß ich, was ich machen muss, damit Du ganz schnell zu mir kommst!“ unkte sie gut gelaunt.

„Sind Sie der Mann von Frau Schröder?“ fragte der Arzt, der mich unter einem Vorwand hinaus auf den Gang gebeten hatte. Dana behielt, mit Rücksicht auf ihren Sohn, ihren angeheirateten Namen nach der Scheidung bei. „Ich bin ihr Freund. Verlobter wenn Sie so wollen.“ Dann darf ich Ihnen nicht…“ setzte er an. „Doch!“ unterbrach ich ihn und hielt ihm die Patientenverfügung hin, die ich vorsorglich aus dem Auto mit hereingebracht hatte.

„Gut,“ meinte er, „Frau Schröder hatte einen Kreislaufzusammenbruch.“ Ich sah den Arzt fragend an. „Die Schwangerschaft, vielleicht zu wenig getrunken, Stress? Eigentlich kein Problem. Aber,“ er sah mich mit ernster Miene an, „wir können einen Schlaganfall oder Anzeichen einer Epilepsie nicht ganz ausschließen.“ Der Arzt nahm mich am Arm und drehte mich ein wenig. Nach ein paar Schritten fuhr er fort: „Montagabend wissen wir mehr! Dem Kind geht es gut, da ist sich unser Gynäkologe sicher.“

Eine Ärztin, so Mitte dreißig, kam uns entgegen. „Schröder?“ fragte sie ihren Kollegen, was dieser nickend bejahte. „Ich bin Doktor Rojahn,“ stellte sie sich vor. Ich betreue ihre Frau. „Oh, ein ganzes Team;“ stellte ich überrascht fest. „Ich war in ähnlicher Situation wie Frau Schröder und kann mich ganz gut in sie hineinversetzen;“ erklärte mir die Ärztin. „Ich habe ihrer Frau erklärt, dass sie einen Kreislaufkollaps erlitten hat und auch alles, was wir noch nicht ausschließen können. Was sie jetzt nicht braucht ist Aufregung! Erzählen Sie ihr was Schönes, vielleicht vom letzten Urlaub, machen Sie Zukunftspläne aber sprechen Sie sie nicht auf ihren Exmann an! Das scheint mir Stress für ihre Frau zu sein, den sie im Moment überhaupt nicht brauchen kann.

Ich war so wütend auf ihren Ex und die Psychologin! Letztere würde ich aufsuchen, schwor ich mir! Es war alles Gut bis zu diesem Brief. Im Moment konnte ich kein Verständnis für die Probleme von Danas Exmann aufbringen.

Ein Gutes hatte die Sache! Den gesamten Sonntag verbrachten Dominik und ich bei Dana in der Klinik. Meine Frau durfte, nein sie sollte aufstehen und spazieren gehen. Es war schönes Wetter und prädestiniert, sich im Freien aufzuhalten. Es gab nur uns drei. Nichts drumherum was wichtig wäre! Auch Dominik verzichtete auf Internet und spielen. Wir sprachen über den Urlaub im Winter, über unser Haus und ob wir was umgestalten würden. Ein ganz wichtiges Thema war Melika. Dominik hatte so viele Ideen und freute sich sichtbar auf seine kleine Schwester. Er hatte mir auch tatkräftig geholfen, das Zimmer zu streichen und die Möbel, die Dana mit ihm zusammen ausgesucht hatte, aufzustellen. Nicht nur einmal fühlten wir ihre Bewegungen im Bauch meiner Geliebten. Dieser Tag hatte uns sehr gutgetan!

„Geh schon mal, ich komm gleich!“ rief ich Dominik zu, der bereits in der Türe stand, um Danas Krankenzimmer zu verlassen. Brummend ging er hinaus. Meine Frau strahlte mich an. Wir umarmten und küssten uns, als gäbe es nichts anderes! „Ich liebe Dich!“ hauchte ich ihr zu, was sie in ebensolchem Ton erwiderte. Ich wollte unbedingt noch einmal ihre Haut spüren, über ihren Bauch streicheln und ihre Brüste fühlen. Ohne Stoff dazwischen! Dana trug eines ihrer langes Shirts und es war nicht so ganz einfach, meine Hand in diesem Teil so weit nach oben zu schieben.

Ein letzter Kuss, „Dominik wartet!“ und ich musste mich schweren Herzens von meiner Liebsten verabschieden. Dominik sollte morgen zur Schule. Was Dana aber nicht wusste: wir hatten umdisponiert.

Mein Besuch bei der Psychologin gestaltete sich anders, als ich es mir in meinem Zorn vorgestellt hatte. Denn Dominik bat mich, seinen Vater noch einmal besuchen zu dürfen. Er wollte ihm sagen, was passiert war. „Er muss doch wissen, was mit Mama ist!“ meinte er verzweifelt. So wurde ich am Montagmorgen bei der Psychologin vorstellig und diese arrangierte ein Treffen Vater/Sohn. Sie zeigte sich sehr betroffen über Danas Zusammenbruch.

Nur so am Rande: Die Telefonkonferenz war ohne Überraschungen erfolgreich verlaufen.

„Wir konnten ohne Aufsicht und ohne Einschränkungen in einem Raum…“ erzählte Dominik später. „Es tut ihm mal wieder sehr leid…;“ meinte unser Sohn resignierend. „Mein Vater checkt es einfach nicht! Wir erwarten doch gar nichts von ihm!“ Immerhin gestand Dominik sich und mir ein, dass es gut war, Michi zu besuchen. „Du erzählst nichts deiner Mutter! Versprochen?“ beschwor ich ihn. Er hatte sein Versprechen gehalten!

Dana empfing uns strahlend: „Keine Epilepsie! Schlaganfall eher nein! Aber was machst Du denn hier?“ Sie meinte ihren Sohn.

Dominik ging auf seine Mutter zu, umarmte und drückte sie. Ganz leise flüsterte er ihr zu: „Ich habe Angst gehabt, dass etwas ist!“ Verstohlen wischt er sich eine Träne aus den Augen. „Morgen muss er wieder zur Schule!“ bestimmte ich grinsend.

Auf dem Rückweg von Berlin nach Hause bot ich Dominik einen Abstecher zu seinen Großeltern in Dresden an. „Ja, ich denke die mögen Mama sehr und die freuen sich bestimmt!“ begeisterte sich mein ‚Ziehkind‘.

Mit großer Bestürzung reagierten sie auf Dominiks Bericht, wie seine Mutter nach dem Besuch in der JVA zusammengebrochen war. Dominik kämpfte dabei selbst mit den Tränen, weil er immer wieder betonte was hätte passieren können. Mit: „Du und deine Mama…“ schloss Dominiks Großmutter ihren Enkel in die Arme und war sichtlich erleichtert, dass Dana und der ungeborenen Melika nichts Schlimmeres passiert war.

Sie erzählten wieder von Michis Kindheit und wie er Dana kennengelernt hatte. „Die mochten sich!“ meinten sie voller Melancholie. Auch haderten sie wieder mit Michis Handeln. „Warum nur?“ fragten sie ein- ums andere Mal. Ich hatte den Anschein, als würden sie mich gar nicht mehr als ‚den Bösen‘ ansehen, der die Schuld an allem trägt, was passiert war. Im Gegenteil. „Es freut uns, dass es Dominik bei Euch so gutgeht!“

Und beim Gehen meinte Dominiks Oma: „Pass gut auf unseren Enkel und seine Schwester auf! Und sag Dana, dass es uns unendlich leidtut!“

„Lass ihn doch mal laufen…“ forderte Dominik, als wir praktisch allein auf der dreispurigen Autobahn unterwegs waren. Selbst bei zweihundertdreißig saß er noch relativ entspannt neben mir…

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