Eine Stunde war er weg gewesen. Jetzt saß er wieder an der Theke. Der Wirt schien sine Abwesenheit gar nicht bemerkt zu haben, eben so wenig wie das Veilchen, das nun sein rechtes Auge zierte. Jedenfalls ließ er sich nichts anmerken und fragte nur, ob er noch ein Bier wollte. Darüber war er ganz froh und sagte „Ja, warum nicht. So jung kommen wir nie wieder zusammen.“
Am frühen Abend war er in die Kneipe gekommen. Anfangs war alles in Ordnung gewesen, doch jetzt peinigte der Lärm der Stereoanlage sein Gehör. Das Wummen der Bässe ließ seinen Bauch vibrieren, das Gekreisch der Gitarre riss sein Trommelfell in Tausend Stücke und das unverständliche Gestöhne und Geplärre einer Tussi, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Menschheit zu malträtieren, ging ihm gewaltig auf die Nerven. Er litt, seit der Wirt beschlossen hatte, seinen Gästen das Potential seiner Stereoanlage und insbesondere seines Superverstärkers vorzuführen.
„Stell doch mal leiser. Man versteht sein eigenes Wort nicht!“
Diese Kneipe war kein Ort, um gemütlich ein Bier zu trinken, um dazusitzen und zu reden oder auch nur, um die Zeit tot zu schlagen. Sie war ein Durchlauferhitzer oder ein Abklingtank für das etwas schräge, oft schäbige Publikum. Typen kamen, lautlos oder mit Hallo, allein oder in Pulks, tranken etwas oder auch nicht, blieben eine Weile, um dann wieder lautlos oder mit Hallo zu verschwinden. An diesem Abend allerdings, tauchten nicht viele auf. Es war Montag, tote Hose am Wochenanfang.
„Wenn es dir nicht passt, kanns’te ja gehen. Niemand hält dich.“
Der Mann hinter der Theke sah aus, wie manche seiner Gäste, ungepflegt und schmuddelig, mit fettigen Haaren, die vermutlich schon lange kein Wasser mehr gesehen hatten, mit gelblicher Hapatitis-Gesichtsfarbe und einem struppigen Fünf-bis-zehn-Tage-Bart. Das Aussehen hätte schon gereicht, um ihn zum Unsympat zu machen, aber er war zudem unfreundlich und unhöflich.
„Dem ist doch scheißegal, was die Gäste wollen“, dachte der frustrierte Gast und nippte an seinem Bier, „das schert den doch nicht. So einer wie der, macht seinen Job und ist froh, wenn er die letzten um sechs Uhr in der Frühe rauswerfen und den Laden dicht machen kann.“
„Kanns’te nicht wenigstens was anderes auflegen, als nur diesen Scheiß?“
„Mir gefällt’s.“
Er nippte wieder an seinem Bier. Es schmeckte schal und abgestanden. Obwohl das Glas noch halb voll war, schob er es weit von sich.
„Gib mir noch eins!“
Er studierte den Spruch auf dem verwaschenen, grauen T-Shirt des Wirts: „Lieber Schamlippen küssen als Schlamm schippen müssen.“
„Typisch für diesen Wichser, aber gar nicht mal so doof“, fand er.
Ein weiterer Strich kam auf den Bierdeckel.
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