| Kapitel 3 aus: Tinas Geschichte |
Natürlich sah man uns, natürlich witzelte der eine oder die andere hierüber und über den weiteren Umstand von K.'s unrasiertem Erscheinen. Da musste er sich einiges anhören und in der Kaffeeküche neben meinem Archiv wurde schon frech hergezogen über uns, wenngleich alle schließlich alle Spekulationen verwarfen. Die doch nicht! hieß es wenig schmeichelhaft über mich. Mir traute also eigentlich niemand eine Nacht mit einem Mitarbeiter zu und K. trat ohnehin öfter in unrühmlicher Aufmachung die Arbeit an, so wurde dies letztlich nicht weiter vertieft. Wir ließen uns beim morgendlichen Meeting nichts anmerken, genauer gesagt, ich hatte kein Bedürfnis nach versteckten Blicken und Signalen und zog mein Pensum zielstrebig durch wie immer. K. schien ein wenig irritiert, hatte sich aber gut im Griff. Gut möglich, dass ihn die Liebesnacht verfolgte über den Tag und – alle Lust will Ewigkeit – sein Verlangen nach einer Wiederholung wuchs. Männer sind in der Mehrzahl doch zarter besaitet als sie zugeben mögen. Sie ergreifen vielleicht vor dem Morgen gern die Flucht. Mit dem unbekümmerten Umgang einer Frau anlässlich einer spontanen intimen Begegnung kommen sie aber auch nicht gut zurecht.
Ja und ich? Ich musste mir jetzt auch mehr Gedanken machen, als mir im sinnlich vernebelten Rausch des nächtlichen Verlangens bewusst war. Wer bis zum Morgen bleibt, mag wiederkommen – oder sehnt sich vielleicht sogar danach.
*
K. hatte sich soweit in der Beherrschung, mich nicht grundlos aufzusuchen und zu drängen. Dazu war er dann doch zu unsicher und auch macht Derartiges Affären im Büro schnell zum öffentlichen Ereignis. Nun hatte ich ihm formal betrachtet, keine Hoffnungen gemacht. Ich hätte mich kühl darauf zurückziehen können: was soll's? Wir sind doch erwachsene Menschen! Aber das wäre nur die halbe Wahrheit.
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