Doch mein Schweigen war natürlich auch unaufrichtig und etwas in mir drängte mich, mich zu entscheiden, kaum dass es begonnen hatte. Einfach so ein Sexding, warum konnte er das nicht genießen? Männer sind doch eigentlich so, heißt es. Stattdessen sind sie eben doch meist verliebte Jungs – so richtig verliebt und so richtig Jungs!
Überhaupt, was hätte ich denn machen sollen? Ich war seine Vorgesetzte. Unsere Beziehung outen hätte bedeutet, dass er die Abteilung verlassen müsste, nicht ich. Und er war da schon fast ein Jahrzehnt. Also wieso wirkte er so verletzt, wenn ich doch nur ihn schützte? Was wäre erst, wenn ich die ganze Wahrheit auf den Tisch bringe? Ich würde hier nicht alt werden, das konnte sich jeder an den fünf Fingern abzählen. Da musste ich meine Gefühlsdinge auch nicht für alle nachvollziehbar ordnen. Es war das Beste, mich einfach weiter bedeckt zu halten, beschloss ich.
*
Zufällig begegneten wir uns in einer Cocktailbar, in die seine Bandkollegen ihn nach Ende der Probe noch lotsten. Die halbe Vorstandschaft fand sich an der Bar und unter ihnen ich. K. zuckte unwillkürlich zusammen, aber er freute sich auch. Unsere unspektakuläre und unverdächtige Begrüßung war unverfänglich, eher belanglos. Er schien irgendwie schon bei mir stehen bleiben zu wollen, aber seine Musiker hatten ihren Platz am anderen Ende der Bar bezogen. Er war auch nicht der Typ, zwanghaft Nettigkeiten austauschen, so als hätte er Hoffnungen auf einen Karriereschritt zu abzuarbeiten, also trollte er sich. Cool sah er schon aus, mit seiner schwarzen Lederjacke, den Jeans und den Stiefeln, er, der nicht Motorrad, sondern nur Fahrrad fuhr und mit seinen melancholischen Augen so gar nicht wie ein Macho rüberkam. Aber die Musik, die er machte, war nicht verträumt, sondern knackig, melodieträchtig und sehr tanzbar abseits gängiger Unterhaltungskapellen. Ich habe seine Band nie gehört, aber er hatte mir ein Video gezeigt.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.