Affen

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Affen

Anita Isiris

Erst jetzt fiel ihm auf, dass die sonst gesittete Frau ihn schamlos mit vollem Mund ansprach. Ein süsslicher Bananengeruch wehte ihm entgegen. Herr Pharod kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und hatte den Eindruck, dass etwas Unheimliches im Anzug war. “Möchten Sie auch eine?”, fragte ihn das Affengesicht freundlich. Da in diesem Augenblick der Bus hielt, nutzte Herr Pharod die Gelegenheit, sich eilends ins überfüllte Fahrzeug zu begebe und auf diese Weise Frau Nefrosobek abzuschütteln, die sich mit ihren vielen Taschen und der Bananenstaude herumschlug und weit von ihm entfernt den letzten Sitzplatz ergatterte.

Aber was war das? Der vertraute Geruch nach aufdringlichem Billigparfum und allgemeiner morgendlicher Verschlafenheit, der vielen öffentlichen Verkehrsmittel zu eigen ist, war einem mörderischen Tiergestank gewichen. Grauen packte Herrn Pharod, als etwas Pelziges über seine Hand strich. Es war nicht Frau Nefrosobeks behaarte Pfote, die ihn da zufällig berührte, sondern die eines jungen, gut angezogenen Mannes, der jeden Morgen mit demselben Bus zur Arbeit fuhr. Herr Pharod erkannte ihn an der Kleidung wieder. Mitten im ovalen Dutzendgesicht bleckte ein gesundes, kräftiges Affengebiss. Der Bus hielt an. Herr Pharod schreckte aus seiner Erstarrung hoch und drängte zum Ausgang.

Er wurde von immer stärkerer Unsicherheit befallen. Das Erlebnis in seiner Wohnung war so schrecklich, dass er es sofort wieder aus dem Bewusstsein verdrängt hatte. Selbst die dicht behaarte Scham seiner Frau versuchte er zu vergessen. Herr Pharod nutzte diese Gabe, die viele Menschen dann einsetzen, wenn sich etwas ereignet, das nicht sein darf und – zumindest im Augenblick – auch nicht ist, wenn man ihm nur rechtzeitig jede Gelegenheit nimmt, sich im Gedächtnis festzusetzen. Immer und immer wieder versuchte Herr Pharod das Erlebte zu verdrängen, aber es gab keinen Zweifel: Um ihn herum existierten nur noch Affen.

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