Wenn der Schmerz so gar nicht weichen wollte, orderte ich die Peitsche. Da ich nicht die geringste Lust hatte, mich der verschrobenen Psyche eines wie Juan veranlagten Mannes auszuliefern und damit die Geister der Vergangenheit mit ihm heraufzubeschwören, besuchte ich Agnes, eine Dame, die diesen Wunsch einfühlsam und professionell erfüllte. Agnes war ein spätes Geschenk meiner verstorbenen Freundin Margarete, denn sie hatte mir diesen Paradiesvogel im Dienst abseitiger Lüste vorgestellt, nicht ahnend, was sie mit dem ästhetischen Arrangement einer gepflegten SM-Orgie in mir auslösen würde. Agnes hatte als einzige meine beginnende Panikattacke erkannt und mich diskret aus meiner misslichen Lage gerettet, ohne dass jemand etwas bemerkt hätte, wie Margaretes unbekümmerte Nachfrage nach meinem Gefallen am Tag danach bewies. Zu Agnes zog es mich, obwohl doch Jahre vergangen waren. Nun erwartete ich nicht, dass ich ihr noch in irgendeiner Weise erinnerlich wäre. Ich versprach mir vielmehr eine respektvoll-therapeutische Beziehung, die mit wenigen Worten auskam. So und doch ganz anders kam es, jedenfalls ließ mir diese Meisterin körperlich-seelischer Fürsorge manchmal auch nur eine gekonnte Massage meiner trotz sportlicher Aktivitäten hart verspannten Muskulatur zukommen. Irgendwann war ich so weit, einfach sie entscheiden zu lassen, was mit mir geschieht. Ich war in guten Händen.
Ich habe oft darüber nachgedacht, woher diese Neigung kommt und was sie bedeutet. Meine Kindheit und Jugend waren behütet und auch danach lief alles zu meiner überwiegenden Zufriedenheit. Ich hatte immer Lust an Bewegung, Aktivität, beruflicher und privater Herausforderung. Ich glaube nicht, dass ich an versteckte, gegen mich gerichteten Aggressionen leide und echten Schmerz fürchte ich wie jeder andere Mensch.
Agnes' Haus
Tinas Geschichte - Teil 22
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Agnes' Haus
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