Agnes war stets wunderbar erotisch gekleidet, sehr ästhetisch, nicht billig, nicht vulgär. Auf meine Frage nach der Bezugsquelle empfahl sie mir, doch aus dem hauseigenen Angebot zu wählen. Den weitläufigen Raum neben Agnes Büro eine Kleiderkammer oder einen begehbaren Schrank zu nennen, wäre ein schamlose Untertreibung. Es handelte sich um eine Boutique, in der alles zu finden war, was man oder frau sich zur stilvollen Ausstattung für den Eintritt in eine von Symbolen und Ritualen beladene Welt wünscht. Derartigen Vorgaben und Zwängen wollte ich mich nicht unterwerfen, aber Kleidung ist immer auch ein Ausdruck des Selbstverständnisses und sie kann helfen, den eigenen Standort gegenüber seinem Umfeld zu bestimmen, sich einzuordnen oder individuell abzusetzen, eine gewünschte Rolle zu definieren. Diese Art nonverbaler Botschaften liebe ich, im Alltag wie in der Erotik und ich habe sie immer bewusst eingesetzt. Ich muss heute noch darüber lachen, wie mir damals als Abteilungsleiterin in K.s Laden mit meinem hausbackenen Auftreten alle auf den Leim gegangen sind und wie ihm die Augen herausgequollen sind, als das Kostümchen fiel. Es gab keine zwingende Notwendigkeit, aber ich wollte mich bewusst auch äußerlich so darstellen, wie ich mich sehen will, wo ich in meinem Leben und Lieben hinwill. Diese Veränderung hatte ich bereits im normalen Alltag begonnen. Mein Coiffeur hatte mein Haar für einen wahrhaft fürstlichen Lohn in eine tiefschwarze, wallende Mähne verwandelt, die meinen wiederkehrenden kraftvollen Gefühlen am ehesten entsprach. Die großen Augen – und offenen Münder – der Kollegen, Anwälte sowie der Mitglieder meines Tanzclubs sowie ihr unvermittelt unverhohlenes Interesse ließen mich mittlerweile nur noch schmunzeln. Als ich erkennbar angeschlagen war, eine abservierte Ehefrau, da glaubte mancher, sich mir gnädig zuwenden zu müssen.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.