Ahrweiler – Teil II

oder: das Buch des Lebens

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Ahrweiler – Teil II

Ahrweiler – Teil II

Gero Hard

„Ach ja? Was geht dich mein Leben noch an? Du tauchst nach all den Jahren hier auf, holst mich aus diesem verdammten Müllhaufen und denkst, alles wäre wieder vergessen, was zwischen uns war? Du hättest mich besser verrecken lassen sollen, dann wäre ich jetzt bei meinem Mann und meinem Sohn und müsste nicht in diesem Bett liegen.“

Sie sah schlecht aus. Tiefe Augenhöhlen, in denen rot unterlaufenen Augen lagen, glanzlose Haare, blasse Haut und eine schwache Stimme. Ihre dicken Tränen versuchte sie mit einem Tempo zu trocknen.

Ich stand sicherlich ziemlich verloren da. Gerade jetzt fiel mir nichts Gescheites ein, was ich hätte tun oder sagen können, oder besser, sollen.

„Imke bitte, gib mir eine einzige Chance! Dann kannst du mich immer noch rauswerfen.“

„Ich kann dir ja schlecht weglaufen mit dem Ding an meinem Bein.“, klopfte sie mit dem Finger gegen den Gips.

„Also vorab: Ich bin hier im Hilfseinsatz mit unserer Freiwilligen Feuerwehr. Und ich wusste nicht, dass du hier in Ahrweiler lebst. Außerdem habe ich dich in dem Hohlraum nicht erkannt, so dreckig wie du warst. Niemals würde ich eine Person in solch einer Lage zurücklassen. Egal ob Mann, Frau oder Kind, bekannt oder fremd. Imke, ich habe dich nie vergessen. Ich habe dich damals gesucht, aber plötzlich warst du verschwunden.

Bitte lass mich dir helfen. Lass mich bei dir sein. Du darfst mir eine scheuern, wenn es dir dann besser geht. Und du kannst immer noch über alles mit mir reden. Ich …“ dann legte sie mir einen Zeigefinger auf den Mund.

Sie sah mich an, zumindest versuchten ihre Augen den Blickkontakt aufrecht zu halten. Früher hatte sie strahlende Augen, die pure Lebenslust und Freude ausstrahlten. Davon war nun nichts mehr zu sehen.

Sie suchte einen imaginären Punkt an der Wand, den sie anstarrte. Dann sah sie wieder mich an und dann ihre Finger, die verlegen miteinander spielten.

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Ahrweiler

schreibt franzl

Kann man diese tragische Entwicklung noch ergreifender, bewegender beschreiben? Ich denke, nein. Der Autor hat es verstanden, uns dieses schreckliche Ereignis mit seinem Beitrag angesichts der schnelllebigen Zeit wieder in Erinnerung zu rufen. Dafür gebührt ihm Dank. Frajol.

Gedichte auf den Leib geschrieben