Ahrweiler – Teil II

oder: das Buch des Lebens

76 20-31 Minuten 1 Kommentar
Ahrweiler – Teil II

Ahrweiler – Teil II

Gero Hard

Vielleicht war ich genau deshalb der Richtige für diesen undankbaren Job.

Dass ausgerechnet sie hier lag, dass ausgerechnet ich derjenige war, der sie gerettet hatte, war das Zufall? Oder war das auch ein Kapitel in meinem Buch des Lebens? War es vorbestimmt, dass wir uns auf diese Weise, unter diesen schrecklichen Umständen, wiederfinden sollten? Ja, ganz sicher war es das! Sie war immer noch so hübsch wie früher. Ihr geschwungener Mund, diese verführerischen Lippen, nichts hatten sie von ihrem Liebreiz verloren.

Ich sah sie an. Lange! Und der Pastor sah, dass hier etwas völlig anders lief, als er erwartet hatte. In zwei oder drei kurzen Sätzen erklärte ich ihm leise die Sache. Sein Gesicht hellte sich auf, dann klopfte er mir auf die Schulter.

„Was für ein schöner Zufall.“, flüsterte er mir zu. Ich nickte nur und sah lieber meiner Imke beim Schlafen zu.

Ich legte ihr meine Hand auf ihre Haare, die wie ein schimmernder Fächer auf dem Kissen verteilt lagen und strich ihr mit dem Daumen über die Stirn. Das hatte sie damals geliebt, wenn wir zusammen auf der Couch lagen und sie ihren Kopf auf meinem Schoß deponiert hatte. Mit geschlossenen Augen schnurrte sie dann wie ein kleines Kätzchen.

Schon beim zweiten Strich mit dem Daumen lächelte sie im Schlaf und murmelte: „Florian, ich liebe dich.“

Sie schlief. Das bedeutete, sie hatte mich nie vergessen und vielleicht hatte sie nie ganz aufgehört mich zu lieben.

„Fast zehn Jahre ist unsere Trennung nun her und sie träumt immer noch von mir.“, freute ich mich.

Langsam öffnete sie die Augen und zuckte ruckartig zusammen, sodass das ganze Gestell an ihrem Bein bedenklich wackelte und sie vor Schmerzen aufschrie. Für sie muss es gewesen sein, als stünde ein Geist vor ihrem Bett. Der Schrecken stand ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben.

Der Geistliche schob mich sanft zur Seite und stellte sich ihr vor. Aber die ganze Zeit starrte Imke mich an.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 6134

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Ahrweiler

schreibt franzl

Kann man diese tragische Entwicklung noch ergreifender, bewegender beschreiben? Ich denke, nein. Der Autor hat es verstanden, uns dieses schreckliche Ereignis mit seinem Beitrag angesichts der schnelllebigen Zeit wieder in Erinnerung zu rufen. Dafür gebührt ihm Dank. Frajol.

Gedichte auf den Leib geschrieben