Sie zitterte.
Der Pastor redete und sie weinte. Erst ganz wenig, dann stärker. Ich dachte zuerst, es wäre, weil sie gerade den Verlust ihrer Familie mitgeteilt bekam und man ihr tröstliche Worte zusprach.
Ihr Blick ruhte auf meinem Gesicht. Ihre Augen bewegten sich und tasteten jeden Zentimeter meiner Haut ab.
Das der Mann im Talar seine Hände beruhigend auf ihre gelegt hatte und versuchte, ihr die schlechten Nachrichten so behutsam wie möglich zu überbringen, davon bekam Imke nichts mit. So, als wäre der Pfarrer gar nicht im Raum, sah sie an ihm vorbei und sagte: „Bist du es wirklich? Kneif mich mal!“
„Ich brauche dich nicht zu kneifen. Ich würde dich jetzt viel lieber fest in den Arm nehmen.“
„Ja, das würde ich gut finden. Was machst du hier?“
„Ich kümmere mich um dich.“
„Wieso?“
„Weil ich dich gerettet habe.“
„Gerettet? Woraus?“
„Aus einem Trümmerhaufen. Du warst verschüttet.“
„Ich?“
„Ja du! Dein Mann und dein Sohn auch.“
„Du spinnst. Jetzt mal ehrlich. Ich freue mich ja dich zu sehen, aber was machst du wirklich hier?“
„O.k., Imke, du musst jetzt ganz stark sein. Es gab ein fürchterliches Hochwasser in Ahrweiler. Die Stadt ist an vielen Stellen dem Erdboden gleich gemacht. Häuser sind eingestürzt, Straßen kaputt und fast alles war überflutet. Ganz viele mussten sich in die oberen Stockwerke ihrer Häuser flüchten, um nicht fortgespült zu werden. Du und deine Familie hatten leider nicht so viel Glück.“
„Was ist mit Markus und Lennart?“
„Sie haben es unter den Trümmern leider nicht geschafft. Du hast sie verloren und deshalb ist auch der Pastor hier.“
Ihr Blick, der eben noch weich und voller Leben war, wurde starr und kalt. Bewegungslos fokussierte sie ein Bild an der Wand. Ihr Hände krallten sich in die Bettdecke. Dann begann sie hysterisch zu schreien, trommelte mit ihren Fäusten auf das Bett. Verfluchte den lieben Gott und schrie ihn an, wieso er ihr das angetan hätte.
Ahrweiler
schreibt franzl