Ahrweiler – Teil II

oder: das Buch des Lebens

76 20-31 Minuten 1 Kommentar
Ahrweiler – Teil II

Ahrweiler – Teil II

Gero Hard

Meine Arbeitskleidung der Feuerwehr, die per se schon schwer war, stand vor Dreck und war dadurch noch viel schwerer geworden. Eigentlich war ich hierhergekommen, um die Stadt wieder einigermaßen bewohnbar zu machen.

Aber heute war mir nicht danach. Nur widerwillig zog ich mir die Hosenträger meiner Einsatzhose über die Schultern.

Ich war nicht bei der Sache und mit meinen Gedanken bei Imke. Ich konnte und wollte mich nicht damit abfinden, sie in ihrer Trauer nicht begleiten zu können. Ich wollte für sie da zu sein und ihr eine starke Schulter anbieten. Ich wollte ihr die Möglichkeit geben, sich an meiner Schulter auszuweinen, so wie sie es früher schon immer gemacht hatte, wenn es ihr schlecht ging.

Mein Helm saß heute besonders unbequem und meine Haare darunter juckten wie die Pest. Die Duschen in der Turnhalle waren zwar eine Wohltat für Geist und Körper nach einer langen Schicht, aber ich hatte trotzdem das Gefühl von einer dicken Dreckschicht eingehüllt zu sein.

An diesem Abend wurden in meinem Bereich drei weitere Leichen geborgen. Tragische Opfer der zerstörerischen Kraft des Wassers. Jeder Tote ein Strich zuviel auf der Opferliste. Natürlich ging mir auch ihres und das Schicksal ihrer Familien sehr nahe. Aber zu ihnen hatte ich keinen Bezug, um es mal nüchtern zu formulieren.

Aus ganz Deutschland traf weitere Hilfe ein. Manpower und große Maschinen, Lkw mit denen der Schutt und Müll aus der Stadt gebracht werden konnte. Vor der Stadt türmten sich die Müllberge und Schutthaufen. Doch anders als in den Straßen wurde versucht es zu sortieren und von hier aus sortenrein abzutransportieren.

Die umliegenden Mülldeponien waren überlastet und die Müllverbrennungen kamen nicht mehr nach. Längst waren ihre Leistungsgrenzen erreicht, während die Deponien und Zwischenlager an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen waren.

Durch die Straßen zog ein fürchterlicher Gestank.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 6137

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Ahrweiler

schreibt franzl

Kann man diese tragische Entwicklung noch ergreifender, bewegender beschreiben? Ich denke, nein. Der Autor hat es verstanden, uns dieses schreckliche Ereignis mit seinem Beitrag angesichts der schnelllebigen Zeit wieder in Erinnerung zu rufen. Dafür gebührt ihm Dank. Frajol.

Gedichte auf den Leib geschrieben