Wie es ihr körperlich ging, konnte ich einigermaßen einschätzen. Aber davon, wie es ihr psychisch ging, wie und ob sie ihre Trauer bewältigen konnte, davon hatte ich nicht die leiseste Ahnung.Wie sie wohl reagieren würde, wenn wir plötzlich vor der Tür ständen? Würde sie sich freuen oder uns einfach nur wütend die Tür vor der Nase zuschlagen? Sollte das passieren, hatte ich mit den Eltern besprochen, dass wir uns ein wenig die Gegend ansehen, dann in ein Hotel einchecken würden, um dann am nächsten Tag die Rückfahrt anzutreten.
Im Schritttempo schlichen wir durch die Straßen von Ahrweiler. Wie zu erwarten war, hatte sich wirklich einiges getan.Die Bewohner und die vielen Hilfskräfte hatten seit der Katastrophe unmenschliches geleistet. Die Müll- und Schuttberge waren aus der Stadt verschwunden. Man hatte einen großen Platz gefunden, wo die Massen gut sortiert in langen Reihen aufgeschüttet wurden, wo sie auf ihre Abfuhr warteten. Leider konnten sich dort auch unkontrolliert die
Ratten vermehren, die mittlerweile wohl auch zu einem großen Problem geworden waren.Der braune Schlamm, der noch vor wenigen Wochen aus den Häusern geschoben wurde, war entweder von den Feuerwehren oder von Regenschauern zurück in das Bachbett gespült worden, wo er hergekommen war.
Nichts war mehr von dem reißenden Fluss zu sehen. Längst hatte er sich auf seinen Ursprung besonnen und war nun wieder zu einem friedlichen Bach geworden. Verglichen mit den Wassermassen von vor ein paar Wochen, war er zu einem Rinnsal verkümmert, dem man solch zerstörerische Kraft nicht ansatzweise zutrauen würde.Ich glaube, es war gut, dass Maria und Werner diese deutlich abgeschwächte Variante der Zerstörung zu sehen bekamen. Ich hatte ihnen gezeigt, wo ich Imke und ihren Sohn gefunden hatte. Das Haus, was dort früher gestanden haben musste, war dem Erdboden gleich gemacht. Nur eine aus Beton gegossene Bodenplatte mit einer abgesperrten Treppe in den Keller erinnerte an das Gebäude. Mit der Zeit würde auch das verschwinden, dann konnte nichts mehr an das grausame Schicksal der jungen Familie erinnern und selbst die würde man vielleicht irgendwann vergessen haben.
Tolle Schreibe! Mach bitte weiter so!
schreibt Hansch