Sie drehte sich zu mir um und klammerte sich an mich. Sie musste sich auf Zehenspitzen stellen, um ihren Kopf an meiner Schulter zu vergraben. Zittern hatte ihren zierlichen Körper erfasst und sie weinte haltlos. Ich hatte Mühe sie zu beruhigen, immer wieder knickten ihre Knie ein. Sie wäre wie ein Sandsack zusammengebrochen, wenn ich sie nicht festgehalten hätte.
„Komm, meine Prinzessin, wir legen das Gesteck ab.“
Ich musste meinen Arm um ihre Hüfte legen, um sie zu stützen. Ihren Kopf hatte sie an meine Schulter gelegt, als wir andächtig zu den Gräbern schritten. Sie hatte ein Tempotaschentuch in ihrer Faust zusammengeknüllt. Längst war es von ihren Tränen durchnässt. Aber sie drückte den Zellstofffetzen, als könnte er ihr zusätzlichen Halt geben.
„Flo, eigentlich müsste ich dich hassen, weil du mich so oft zum Weinen bringst. Aber genau aus den gleichen Gründen liebe ich doch so sehr. Das Gesteck ist wirklich schön und eine ganz wundervolle Überraschung.“
Es musste kurz vorher geregnet haben. Der Weg zu den Gräbern war aufgeweicht und matschig. Es war fast nicht möglich, jeder Pfütze auszuweichen. Schon nach den ersten Schritten auf dem Boden waren unsere Schuhe voller Schlamm. Die meisten Gräber waren in den letzten Wochen ziemlich verwahrlost. Die Angehörigen hatten gerade mit anderen Problemen zu kämpfen.
Imke kniete sich neben das schlichte Holzkreuz, dass das Grab ihres Sohnes kennzeichnete. Den nassen Dreck an ihren Beinen ignorierte sie völlig. Liebevoll legte sie das Gesteck neben das Kreuz und streichelte kurz die feine Schleife glatt, die ich farblich passend zu den Blüten bestellt hatte.
Ich hörte sie ein Vater-unser beten, wobei sie ihre Hände brav in ihrem Schoß gefaltet hatte. Mich rührte der Anblick zu Tränen. Es war erstaunlich, wie tapfer sie mit der Trauer um ihren Sohn umging und gleichzeitig traurig, wie wenig sie der Tod ihres Mannes anrührte.
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