Alena und der Sybian

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Alena und der Sybian

Alena und der Sybian

Anita Isiris

Lieber Nick

Ich weiss, dass Du leidest. Ich vermisse Dich so sehr. Keine Nacht schlafe ich durch und denke noch immer mit Entsetzen an den Moment, an dem sie uns auseinandergerissen haben. Ich kann mich gut erinnern, wie wir, eng aneinander gekuschelt, in unserem Wasserbett gelegen sind. Dann das helle Licht der Halogentaschenlampen. Diese Uniformierten, die nach mir gegriffen haben, ohne ein einziges Wort. Wir waren wohl beide paralysiert in diesem Moment. Ich hoffe so sehr, dass Dich meine Mail erreicht, denn Du hast das Recht zu wissen, was sie hier mit mir machen.

Wir sind 12 Frauen, unser Schlaflager ist eine Turnhalle mit den schwachen Markierungen ehemaliger Fussball- und Volleyball-Felder. Die Netze sind wohl schon längst abmontiert. Ich liege auf einer dünnen, grünen Kunststoffmatte und tippe in mein Handy, das sie mir überraschenderweise gelassen haben. Nick, ich habe hier eine einzige Aufgabe: Schwanger zu werden, so wie meine elf jungen Kolleginnen. Draussen vor den Turnhallenfenstern stehen die so genannten Guardians, mit dem Rücken zu uns. Von hinten sehen sie alle gleich aus, mit ihren grossen Köpfen, den Kurzhaarfrisuren und den fast nicht vorhandenen Hälsen. Zuerst haben sie uns geängstigt – aber die Guardians sind zu unserem Schutz hier. Niemand kann zu uns vordringen. Das ist auch gut so – denn wir haben hier kaum Privatsphäre. Wir ziehen uns voreinander um, waschen uns in einem offenen Saal, und, ja. Jede von uns hat einen Sybian zur Verfügung. Du weisst nicht, was ein Sybian ist? Es handelt sich um eine halbrunde Sitzfläche – und in der Mitte ragt ein Gummischwanz auf. Dessen Vibrationen lassen sich regulieren – mit zwei Drehrädchen. Sie verlangen von uns, dass wir mindestens drei Mal pro Tag auf unseren Sybians reiten. Zum Teil sind die Einfassungen bunt, neongrün, rosa, mehrfarbig. Das soll das Ganze wohl verharmlosen. Aber es geht ihnen darum, dass wir unsere Beckenböden trainieren und unsere Scheidenmuskulatur kräftigen – für das, was kommt.

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