Alexandra 2

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Alexandra 2

Alexandra 2

Anita Isiris

„Komm, wir machen es für die Kamera!“. Alexandra, Tschechin aus Hradec Kralove, verstand nicht grad eben viel von dem, was Rainer ihr da vorschlug. Die beiden hatten sich während eines Sommersemesters in besagtem Prager Vorort kennen gelernt. Alexandra war hübsch, hatte dunkles, gewelltes Haar und eine zierliche Figur. Rainer verfügte über Charme und Humor, weshalb ihm die Frauen seinen Schwabbelbauch und die schlecht gewählte Brille verziehen. Er war Geschichtslehrer und unterrichtete vor den skeptischen Blicken tschechischer Schülerinnen. Nein, sie liessen sich keine Bären mehr aufbinden. Bis zum Fall der Mauer hatten sie sich eh um „gute Jahre“ betrogen gefühlt und sich eng am westlichen Lebensstandard orientiert. Die „neue Realität“ aber war für sie alle hart: Arbeitslose Eltern und Geschwister, sie selbst hatten kaum Perspektiven. Was für Berufe gab es denn schon in einem Nest wie Hradec Kralove? Prag lockte alle, war aber mittlerweile unerschwinglich geworden. Rainer war ein cleverer Mann. Er unterrichtete gut und spannend; spickte seinen Unterricht mit der notwendigen Ironie und hatte die Herzen seiner Schülerinnen bald auf seiner Seite. Auch dasjenige der scheuen Alexandra. Sie lebte mit ihren zwei Schwestern, den Eltern und drei Katzen in einem bescheidenen Reihenhaus - und nach drei Wochen schaffte es der Geschichtslehrer bereits, zum Abendessen im Familienkreis eingeladen zu werden. Er musste taktisch vorgehen, damit Alexandra nicht den Neid ihrer Mitschülerinnen auf sich zog. Hradez Kralove hatte „bewegliche Vorhänge“. Beim Einnachten, es war etwa 18.00 Uhr, machte er sich auf den Weg. Wie sie ihn wohl empfangen würden? Die Gastfreundschaft war so herzlich, dass Rainer beinahe verlegen wurde. Alexandras Vater begrüsste ihn mit kräftigem Händedruck und zwinkerte ihm zu, als wollte er sagen „nimm meine Tochter!

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