Momentlang kontemplierte ich, >erst wägen, dann wagen<, als ich nach geraumem Brüten zu ihr aufschaute, entgegnete sie dem eine kokette Lippenspitzung: Ihr schmallippiger Mund fabrizierte einen kecken Sauger, als wollte sie mir während des Zusammensitzens in diesem allenfalls geringerenteils intimen Zirkel Avancen machen. In der Hauptsache forderte sie mich damit heraus, >Komm doch!<; die aufgesprossene sexualisierte Atmosphäre zwischen uns bezweckte ausschließlich, mich zusätzlich zu verunsichern, zu verleiten. Nein, nichts Menschliches war ihr fremd, vor allem nicht die Raffgier! Sie verdummteufelte mich, und diese Injurie wollte und konnte ich bei allem Dankgefühl ihr gegenüber nicht ungestraft lassen, so beschloss ich, gleichermaßen Vabanque zu spielen, rückte meine Chipstürme entschieden voran. Im Verlustfall würde mir weniger als nichts zurückbleiben, die beiden Manipulanten lagen nämlich gut und gern gleichauf, insofern würde es einen verheeren - und auf der Kante stand wen!
Die Herz Zehn, Herz Sieben, Herz Drei lagen als >Board cards< offen, lediglich die mittlere Flopkarte war >off-suited< gewesen, somit bedeutungslos, denn als wir uns (wie es in solcher Alles-oder-nichts-Situation Brauch ist) erhoben und unsere Starthände lüfteten, deckte sie wie ich >all red< auf: Ich besaß den Herzbuben und die Acht gleicher Spielfarbe, sie hiervon die Fünf und dazu – Himmelteufelnocheins! - das übermächtige Ass! Schon lachte sie triumphierend auf, klapste sich aber umgehend auf den Mund. Denn die letzte Karte stand ja noch aus, und es gab die allereinzige Möglichkeit, ihren eigentlich unüberbietbaren >Flush< (Ass höchste!) zu toppen.
>Nur bitte keine Lusche!<, beschwor ich im Geiste den Pokergott, wohlwissend, dass mich nur die eine von ursprünglich 52 Karten retten würde … Herz Neun!! „>Straight Flush, Bube zu Sieben<“, rief mich der Croupier zum Sieger aus.
Pech im Quadrat für sie, die sich erst einmal wieder setzen musste, schwer in die Lehne ihres Stuhls fiel. Nach etlichen Augenblicken löste sie sich aus der Erstarrung, gratulierte mir, der ich jegliches Jubelgefühl über den Reibach unterdrückte, und schickte sich zum Weggang, das Unterarmtäschchen aufnehmend. So stöckelte sie, nicht ohne sich vornehm vom Tisch verabschiedet zu haben, in ihrem wadenumspielenden, nacktschultrigen Abendkleidchen los - und ich, ihr so unverwandt nachgaffend, mochte keine Wettrunde länger Platz behalten, passte unverzüglich und entfernte mich gleichfalls. Tauschte rasch die gescheffelten Jetons gegen harte Währung zurück, stopfte mir die vielen Moneten (abzüglich eines Bakschischs fürs Personal) schludrig in die Hosentaschen und hastete ihr, die sie eben den Saal verlassen hatte, nach.
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