Aller lässlichen Sünden schwindelfrei? Der Spielsaal thronte im obersten, dem 24. Geschoss des Hotels; wer von allen Abenteuern des Lebens Proben genommen haben wollte, der durfte auch vor einem Casino nicht Halt machen! Die getäfelten Wände und die ebenso holzverkleidete Decke, der matt glänzende Schwingfußboden, das gediegene Interieur im Ganzen wurden von einem vielplätzigen ovalen Eichentisch beherrscht. Hochlehnige Stühle, zehn an der Zahl, umfassten ihn geradezu demutsvoll.
Mademoiselle saß vis-a-vis: leicht blutarm aber leuchtendvergissmeinnichtblauäugig, beileibe kein Dutzendgesicht, überdies in Gala geworfen, ein Kleid in Ecru und Türkis. Ihr Dekolleté neigte sich mir zu; die hellhäutigen Brüste standen kaum hervor - wie nebenan fürs Rouletterad bestimmt, jede würde in eins der roten und schwarzen oder dem einen grünen Nummernfach passen. Im noblen Milieu situiert zu sein, hiervon zeugte ihre gesamte Erscheinung. Mit spitzen, weit von sich gestreckten, manikürten Fingern hatte sie ihre >Pocket cards< an einer Ecke hoch geknickt, woraufhin sehenden Auges sich die gezupften Brauen hoben, das wuchtige Ohrgehänge zu pendeln begann und, wiewohl sie stark geschminkt war, eine zarte Jungfernröte, hinwieder gleich einem Lackmustest verräterische, aufglomm. "Raise", ließ sie sich vernehmen, und erstmals trafen unsere Blicke aufeinander ... In der Hinterhand sitzend stellte ich ein Augurenlächeln zur Schau, nur noch im Unsicheren, ob sie ein Ass-Pärchen oder eines darunter auf der Hand hatte. Meine zwei verdeckten Karten gaben an Gewinnmöglichkeit kaum was her, demungeachtet erhöhte ich meinerseits, einzig ihr zum Gefallen! Nachdem sämtliche Mitspieler diese neuerliche Erhöhung anstandslos mitgegangen waren, breitete der Dealer den >Flop< auf dem grünen Filz aus. Als sie sich darüber hermachte, optisch, gewann ihre Miene für einen Wimpernschlag noch an Siegesgewissheit hinzu, hernach hatte sie wieder ein Pokerface aufgesetzt.
>Was kostet die Welt!<, verhöhnte ich jedwedes vernünftelnde Glückspieleinmaleins, indem ich den Einsatz in die Höhe trieb - nur um für mich selbst und den anderen Verlustgeweihten einen Nachteil entstehen zu lassen, unsereins die Jetons abzulocken, sie ihr, die sie alleinig die holde Weiblichkeit am Tisch vertrat, zu vergönnen. Die Stirn vom Pony übergoldet, trug sie ihre blondblonden Haare hinten kurz, und nun suchte sie in meinen Augen zu lesen, las darin wie in einem Vexierrätsel. Ich signalisierte ihr meinen Bluff durch einen verneinenden oder zumindest verneinungsverdächtigen Kinnseitwender … Sie hatte verstanden, brauchte sich nicht länger das Gehirn über Kartenkombinationen und deren Wahrscheinlichkeit zerpeinigen, wusste was Trumpf war, als hätten wir vordem eine unlautere buchstabengetreue Absprache getroffen. Die letzte Karte, der >River< wurde aufgelegt, und ich schmiss hin. Schlussendlich zeigte sie ihr mächtiges Triumvirat vor (es waren drei Buben, keine Könige) und errang den nicht zuletzt dank meiner Hochtreiberei ansehnlichen Pott.
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.