Alle wollen Martin

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Alle wollen Martin

Alle wollen Martin

Anita Isiris

Wenige Sekunden, bevor Sandra kam, klingelte ihr Handy auf dem Küchentisch.

In der Annahme, Martin sei am Apparat, riss Sandra den Duschvorhang zur Seite und eilte, nackt, wie sie war, in die Küche. Beinahe wäre sie auf dem Fliesenboden ausgerutscht. Eine honigsüsse Frauenstimme meldete sich. “Hier ist Sylvie. War Martin bei Dir?” Sandra durchfuhr es heiss und kalt. Sie fasste sich aber rasch und antwortete geistesgegenwärtig. “Ja, er war da”, sagte sie. Wieso hätte sie Sylvies Frage negativ beantworten sollen? Sylvie hatte ja nicht gefragt “hast Du Deinen Hintern an seine Hüfte geschmiegt.” Sie hatte bloss wissen wollen, ob Martin bei ihr gewesen war – warum auch immer. Am andern Ende der Leitung war es still. Auf Sandras Armen bildete sich Hühnerhaut. Mit spitzen Nippeln stand sie am Küchentisch und presste ihr Sony Ericsson ans Ohr. “Nimm Dich bloss in Acht vor Martin”, sagte die fremde Frau kurz. Danach war es ruhig in der Leitung. Sandra fühlte sich nicht mehr wohl in ihrer Haut. Martins Partnerin hatte offenbar ihre Handynummer ausfindig gemacht und wusste bestimmt auch, wo sie wohnte. Was war doch dieser Mann für ein Dödel. Wer lässt denn schon sein Adressbuch, ob elektronisch oder nicht, herumliegen? Wer fremdging, benutzte doch ein Zweithandy, passwortgeschützt, stummgeschaltet, prepaid? Sandra wusste um Sylvies detektivische Lust und Veranlagung – trotzdem sah sie das Versagen bei Martin. Sie wusste, dass er sich einbildete, Sylvie wüsste nichts von seinem iPhone. Ihr war aber auch klar, wie clever Frauen sein konnten. Das Erfolgsrezept war uralt: Man lässt den Verdächtigen sich in Sicherheit wähnen und spioniert weiter – bis zum Inflagranti-Showdown. So hatte das doch schon immer funktioniert.

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