Alles oder nichts?

Josie

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Alles oder nichts?

Alles oder nichts?

Gero Hard

Obwohl, trotz allen Reichtums war Chris bodenständig geblieben. Eine Arroganz, die er sich durchaus erlauben könnte, gab er nicht an Falk weiter. Auch mir gegenüber nicht.
Chris war aufgestanden und hatte sich neben mich gestellt. Wie lange musste ihn das schon belastet haben, wie lange hatte er meine Vorwürfe in sich reingefressen?! Was hatte ich ihm mit meinem Egoismus angetan?! Und nun hatte er seinem Herzen Luft gemacht. Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen. Seine Hand legte sich auf meine Schulter, drückte mich sanft.
„Denk bis morgen drüber nach! Hier, mit meinem Sohn, in der Villa, mit allem was ich habe, dann sehr gern mit dir zusammen, oder es endet morgen. Deine Entscheidung! Ich schlafe im Gästezimmer. Und jetzt fahre zu deiner Ela, ich denke, sie braucht dich!“
Chris drehte sich um und ging raus. Nur Minuten später hörte ich ihn mit Falk spielen, als wenn nichts gewesen wäre. Und ich hörte noch wie der kleine Kerl fragte, was er mich so ähnlich bei unserer ersten Bootsfahrt gefragt hatte:
Kann Josie meine Mama werden? Ich wünsche es mir doch so!“
Chris‘ Antwort darauf verstand ich nicht, weil er so leise sprach. Das schlechte Gewissen lag wie ein Betonklotz auf meiner Brust und machte mir das Atmen schwer.
„Josie, können wir los?“, rief Shiva von unten hoch.
Mir war die Lust auf Ela restlos vergangen. Meine eigene Baustelle war viel wichtiger als ihre. Trotzdem raffte ich mich auf, wischte mir mit dem Jackenärmel die Augen trocken und ging runter. Ich vermied es, Shiva ins Gesicht zu sehen. Auf keinen Fall durfte sie meine verheulten Augen sehen. Niemand durfte vom Streit zwischen Chris und mir erfahren …, noch nicht. Auch Shiva nicht.

****

Shiva und ich hörten es klingeln, aber nichts passierte. Sicherheitshalber drückten wir den Knopf nochmal, vielleicht war sie gerade im Bad. Wieder nichts.
Eine ältere Dame drängelte sich an uns vorbei und kramte in ihrer Einkaufstasche nach dem Hausschlüssel.
„Ach entschuldigen Sie, haben Sie Ela in letzter Zeit gesehen?“
„Sie meinen die Michaela von unten rechts? Gesehen nicht, aber gestern Mittag hatte sie noch laute Musik an. Ich wollte schon die Polizei rufen, weil ich meinen Mittagsschlaf nicht halten konnte.“
„Aha, danke. Können Sie uns vielleicht reinlassen?“
Shiva ging mit der Dame in den Hausflur und ich um das Haus herum. Vielleicht konnte ich über die Terrassentür in die Wohnung kommen, oder wenigstens einen Blick ins Wohnzimmer werfen.
Die Tür war zu, aber tatsächlich war die Gardine ein Stück zur Seite geschoben. Ela lag auf dem Sofa, halbnackt, ein Arm hing schlaff herunter, darunter eine Pfütze. „Ela!!“, schrie ich und trommelte wie eine Wilde gegen das Glas. „Ela, wach auf!!!“
Ich rannte zurück, um das Haus herum, stürmte aufgewühlt und atemlos in den Hausflur.
„Ela, sie liegt auf dem Sofa! Ich glaub, sie ist tot!“, berichtete ich völlig außer Atem.
Shiva trat mit Wucht gegen die Wohnungstür. Holz splitterte und krachte. Die Tür flog auf. Shiva war viel abgeklärter als ich, ging direkt ins Wohnzimmer. Ich selbst blieb auf dem Flur stehen und wählte mit zittrigen Fingern den Notruf.

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