Am Tag als der Regen kam

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Am Tag als der Regen kam

Am Tag als der Regen kam

Yupag Chinasky

Der Regen setzte am Abend desselben Tages ein, an dem er in dem kleinen Küstenort angekommen war. Es regnete stundenlang, die ganze Nacht und auch an den folgenden Tagen. Mal war es ein sanftes Nieseln, mal goss es in Strömen, unterbrochen von kurzen Phasen der Aufklarung, in denen sich das Wasser in den Wolken zu sammeln schien, um dann um so heftiger herniederzuprasseln. Heftige Windböen peitschten von Zeit zu Zeit durch die Straßen, wirbelten vereinzelte Gegenstände auf und rüttelten an Dächern, Türen und Fenstern. Dennoch war die Luft im Zentrum des Wirbelsturms, eines ciclons, die meiste Zeit überraschend ruhig. Der Sturm verursachte jedoch im Meer eine schwere Dünung, die in gleichmäßigen Abständen Welle auf Welle mit gischtweißen Schaumkronen an das Ufer schickte. Die Wellen brachen sich an der vorgelagerten Steinschüttung und der meterhohen Mole und das Wasser schwappte auf die Uferstrasse, die menschenleer und unpassierbar war. Die Stadt war von der Umwelt abgeschlossen, man konnte sie auf den überschwemmten oder durch Erdrutsche blockierten Straßen weder verlassen noch erreichen und auch die anderen Verbindungen zur Außenwelt waren unterbrochen. Das Telefon blieb stumm, das Handy fand kein Netz, das Internet war blockiert und selbst das Fernsehen war immer dann tot, wenn der Strom ausfiel.

Das öffentliche Leben war zum Erliegen gekommen. Geschäfte, Restaurants, Fabriken, Werkstätten, Büros, Ämter und Behören und selbst die Banken waren geschlossen und alles, was Touristen üblicherweise machten, Spaziergänge, Ausflüge, Besichtigungen, Bootstouren, alle fiel buchstäblich ins Wasser. So war er zum Nichtstun gezwungen, saß die meiste Zeit in seinem Zimmer, las, döste, schlief, lauschte dem Regen, der auf das Dach trommelte oder schaute von seinem wellblechgeschützten Balkon auf die trostlose Umgebung. Er hatte die kleine Pension wegen ihres Blicks auf die Uferstraße und das Meer gewählt.

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