Tag für Tag saß Jasna an der Supermarktkasse, süßer Akzent, Pferdeschwanz, den ganzen Tag voller Energie. Wie sie diesen Stress nur aushielt, immer im Laufschritt zwischen Kassieren, Regale nachfüllen, Retouren abarbeiten, alles im Getümmel eiliger und nicht selten schlecht gelaunter Kunden. Ein freundliches Lächeln nämlich gab es von ihr immer. Ja, Jasna war die Königin des Supermarktes, wie Bruce Springsteen sie einst besang. Jetzt, Samstagabends, als nur noch wenige verirrte Kunden Nötiges für den Sonntag suchten, füllte sie am rückwärtigen Ende des Marktes das Regal auf. Sie haben eine Frage? erkundete sie die Gründe seines beharrlich auf sie gerichteten Blicks, dem weder ein Entschluss noch die Äußerung eines Anliegens folgte. Äh, die anderen Leute, stammelte er ertappt, es ist so, äh, es betrifft nicht meine Einkäufe. Ihr fragender, seitlich auf ihn gerichteter Blick entließ ihn nicht aus der Pflicht. Jetzt holte er tief Luft und hörte sich ungläubig sagen: Es betrifft Sie! gestand er kleinlaut und senkte seinen hochroten Kopf. Wie konnte er nur? Das war längst schon übergriffig, ein Schritt, den er nie hätte tun dürfen!
Oh, das ist interessant! Eigentlich nehmen mich die Leute ja nur als Servicesklavin am Kassenband wahr und nicht als Mensch! Schon gar nicht in meiner Eigenschaft als Frau! Setzte sie nach kurzer Pause flüsternd und mit laszivem Augenaufschlag hinzu. Das traf ihn mitten ins Herz, sein Blut pochte in Hals und Kopf und heiß wurde ihm. Er blickte sich hastig um, doch niemand war in ihrer Nähe, zu spät war es mittlerweile für irgendeinen Kundenandrang. Also fragen Sie nur! setzte sie seine Folter fort, während sie den Anschein gab, nur konzentriert im Regal zu sortieren und rein beruflich geschäftig zu sein.
An der Kasse
Geschichten vom Anfang der Sehnsucht
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