Anbetung

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Anbetung

Anbetung

Paul Magallas

I

Er öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen: Er sah den Yogi-Meister am Boden sitzen. Er schien völlig versunken zu sein, denn er reagierte nicht. Sein Blick war auf eine Frau gerichtet, die vor ihm leicht erhöht saß. Sie hatte die Schenkel weit gespreizt, so dass der Meister ungehindert auf ihre Yoni schauen konnte. Dieser Anblick, dieses Ziel seiner Versenkung musste ihn so in Beschlag genommen haben, dass er völlig abgetaucht wirkte.

Ralf erinnerte sich, diese Szene einmal in einem Buch gelesen zu haben, in dem ein Westeuropäer seine Einweihung in den kaschmirischen Tantrismus durch eine faszinierende Tantrika, die sich „Deva“ nannte, beschrieben hatte. Davon, was Gegenstand oder Hilfe in die Versenkung sein könnte, hatte Ralf schon einiges gehört oder es gar ausprobiert. Er persönlich bevorzugte die gegenstandslose Kontemplation. Eine Frau, das Allerheiligste einer Frau war ihm aber noch nie untergekommen. Vielleicht gerade deshalb vergaß er seine Lektüreerinnerung nicht.

Später war er in ganz anderem Zusammenhang auf das Gemälde „ Der Ursprung der Welt“ von Gustave Courbet gestoßen. Es zeigte den Körper einer Frau, die mit gespreizten Schenkeln auf dem Rücken lag. Unten war sie gänzlich nackt, über ihre Brüste lief der Rand eines hochgeschobenen Kleidungsstückes. Ihre rechte Brustwarze war zu sehen. Der kräftig dunkel behaarte Venushügel, zwischen dem die Lippen ihrer Vagina zu erkennen waren, zog alle Aufmerksamkeit an. Ungehindert konnte man auf den Übergang von Schenkeln zu Po und ihren Damm schauen. Das Bild hatte 1866 der türkische Diplomat und Kunstsammler Khalil Bay in Auftrag gegeben. Von ihm kam es zu einem Pariser Kunstsammler, dann über verschlungene Wege nach Budapest und schließlich in den Besitz des Psychoanalytikers Lacan, der es in seinem Landhaus unter einem anderen Gemälde verbarg. 1988 wurde es erstmals öffentlich gezeigt, einige Jahre später kam es bis heute in ein Museum in Paris. Ein verrücktes Bild. Kenner meinten vor einigen Jahren den Kopf der Frau identifiziert zu haben, die möglicherweise Akt gelegen hatte. Unwillkürlich fühlt man sich in das Bild und Motiv hineingezogen. Schon kommt man dem Yogi sehr nahe.

Als Ralf einmal davon hörte, dass es spirituelle Traditionen gibt, deren Heilige Gesetze ua. besagen „Alles wird aus dem Weiblichen geboren“, fühlte er sich an das Gemälde erinnert. Es hatte nichts Schlüpfriges, Vulgäres oder gar Pornographisches. Es gab dem, was nun wirklich in jeder Hinsicht anbetungswürdig ist, einen gelungenen und hohen künstlerischen Ausdruck.

Wochen später überraschte Ralf seine ‚aktuelle Sexualpartnerin‘ Mona mit einem Briefumschlag. Ihr Name stand auf dem Kuvert. Sie öffnete es und entnahm einen Bogen hochwertigen Büttenpapiers. In seiner schwungvollen Handschrift hatte Ralf darauf geschrieben:

„Einladung zum Hochamt -
Mein Liebste, ich schlage dir eine ganz besondere Art von Gottesdienst vor.
Am Sonntag, 15. April bitte ich dich,
auf 22.00 Uhr das kleine Kavaliershäuschen, das wir so lieben, aufzusuchen. In unserem Gemach wirst du eine Sitzgelegenheit vorfinden, auf der du bequem und leicht erhöht sitzen oder liegen kannst. Bitte entledige dich aller Kleidung. Nichts gegen etwas Zartes aus deiner Dessouskollektion für die Region oberhalb des Bauchnabels. Unten sollst du nackt sein. Lege dich bequem hin und spreize deine Schenkel, auf dass deine so göttliche Muschi sichtbar ist. Du wirst den Raum wie immer gut geheizt vorfinden.
Richte dich ein, lass dich fallen und überraschen, welchen Fortgang jener Gottesdienst nehmen wird.
Dein Ralf“.

II

Mona hielt die Tage kaum aus, war sie doch zu neugierig und erregt, was das nun wieder werden würde. Sie kannte ihren Ralf und wusste längst, dass er für immer wieder verrückte Einfälle bekannt war. So etwas Delikates aber war neu. Das kitzelte zusätzlich ihre Vorfreude.

Zur angegebenen Zeit war sie am gewünschten Ort. Sie fand alles wie angekündigt: Das große Zimmer mit Spiegeln an allen Wänden und an der Decke war angenehm temperiert. Gedämpftes Licht gab dem Raum etwas Mystisches. Angenehme Musik lief im Hintergrund – nicht zu psychedelisch und soft, mit Rhythmus, aber nicht zu hart. In der Mitte sah sie etwas Helles. Plötzlich rückte ein Spot die Mitte des Raums ins rechte Licht: Leicht erhöht eine Art Futon, Kissen, Tücher und Decken lagen darauf. Hier sollte sich Mona wohl platzieren. Sie spielte in Ruhe mit verschiedenen Positionen, schob Kissen hin und her, veränderte sie. Letztlich lag sie da wie auf Courbets Bild: Unten nackt, mit weit gespreizten Schenkeln. Ihr Oberteil, ein quasi durchsichtiger Hauch von Nichts war nach oben geschoben. Mona gefiel es, sich zu präsentieren. Sie schloss die Augen. Musik und Düfte verfehlten ihre Wirkung nicht. Fast dämmerte sie ein.

Ein leichter Luftzug zog an ihr vorbei. Eine Türe musste sich bewegt haben. Als sie etwas schläfrig die Augen öffnete, sah sie Ralf vor sich. Oben nackt, nur mit einem Lungi um die Hüften. Seine Füße waren ebenfalls nackt. Er lächelte ihr zu und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen: Nicht reden!

Dann ließ sich Ralf vor ihr nieder, setzte sich in Meditationshaltung hin und schloss die Augen. Er schien sich innerlich zu sammeln. Als er sie wieder öffnete, sah Mona, dass sein Blick konzentriert auf einen Punkt gerichtet war: Ihre so offen daliegende Mitte. Ihr fiel Ralfs eigenartiger Blick auf. Er starrte nicht, sondern schaute weich und schien gleichzeitig durch ihre Vulva in Unendlichkeiten dahinter zu blicken. Zunächst war Mona irritiert. Dann ließ sich wieder in die Kissen sinken und genoss es, dass sie offensichtlich aller Aufmerksamkeit und Versenkung wert war. Es erregte sie, sich von außen vorzustellen, wie sie so dalag, dass Ralfs warmer Blick ihr galt. Das machte sie an.

III

Als Mona nach gefühlten Ewigkeiten aus ihren inneren Bildern, Gefühlen und Phantasien wieder auftauchte und die Augen öffnete, musste sie lächeln. Mit Ralfs Kontemplation war es offenbar nicht mehr so weit her. Er ruckelte unruhig auf seinem Kissen, was ein deutliches Rascheln hervorbrachte. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert. Schweiß stand ihm auf der Stirn und lief die Wangen herunter. Er flüsterte vor sich hin. Irgendwann meinte Mona die Worte „Jetzt halte ich es nicht länger aus!“ zu verstehen. Sie blieb weiter still.

Ralfs Unruhe nahm zu. Schließlich stand er in einem Schwung auf und schaute von oben auf die Angebetete herab. Sein Blick verriet so viel Lust, dass Mona sich denken konnte, woran seine Anbetung gescheitert war. Was er sah, ließ ihn eben nicht unberührt. Unter seinem Lungi gab es eine so auffällige Beule, dass Mona klar, wie sehr er erregt war.

„Quäl‘ dich nicht, Liebster. Tu, worauf du Lust hast. Freude ist in Gottesdiensten nicht verboten. Wir sind doch beide keine Anhänger strenger Askese und quälender Bußübungen“. „Du hältst mich also nicht für einen willensschwachen Versager oder Schlappschwanz?“ „Letzteres ganz sicher nicht, wenn sich unter deinem Lungi verbirgt, was allzu offensichtlich ist“. „Seit wann geht es uns um Willensstärke und Meistertitel in Entsagung.  Wir feiern die körperliche Liebe doch nur zu gern. Lust und Vergnügen stehen in meinem Bekenntnis ganz oben“.

Sie sah, wie sich Ralfs Gesichtszüge entspannten. Dann ging er vor Mona auf die Knie. Beinahe in Zeitlupe näherte er sich ihrem Schoß mit seinem Gesicht. Er zögerte die unmittelbare Berührung hinaus. Das nun ließ Mona wuschig werden. Schließlich setzte er seinen Mund auf diesen dichten Urwald. Ralf küsste sich durch das Gestrüpp. Seine Zunge bahnte sich Pfade und fand schließlich ihren Eingang. Sie spaltete Monas Lippen. Ralfs Mund saugte und schlürfte. Er suchte ihre Perle, um sie zu verwöhnen. Die Wirkung blieb nicht aus. Lustwasser spritzte heraus und floss an Monas Schenkeln herab. Inzwischen hatte Ralf seine beiden Hände und alle Finger eingeladen, mit auf Entdeckertour zu gehen. Sie streichelten, liebkosten, stachen heftig in ihre Vagina, um feucht und glänzend wieder herausgezogen zu werden. Monas Erregung stieg hörbar. Auch Ralf stand längst in Flammen. Seine gierige Lust kannte kein Halten. „Ich ficke dich jetzt – aber nur mit Lippen, Zunge und Fingern. So viel Rest an Pietät muss sein. Zu seiner Zeit darf auch mein Hauptmast wieder ran. Heute soll es so geschehen“. Er sagte es so pathetisch, dass es Mona tatsächlich wie gottesdienstlicher Tonfall vorkam.

Ralf war nicht zu bremsen. Mona lag längst nicht mehr ruhig auf ihrem Platz. Sie warf sich hin und her. Sie seufzte und juchzte. Ralf trieb sie voran, weiter und weiter, bis sie mit einem Schrei kam. Beinahe unendlich zuckte ihr Leib, um sich in immer sanfteren Wellen schließlich zu beruhigen.

Später, als sie schon einige Zeit eng verknotet, verschwitzt und nackt einander in den Armen lag, lächelte Mona plötzlich. „Wusstest du eigentlich, was eine barocke katholische Kirche mit einer Muschi verbindet? Es gibt links und rechts ein Seitenschiff. Das sind die äußeren Schamlippen. In der Mitte ein Gang, der zum Altar führt. Das sind die inneren Lippen. Der Altar ist meine Perle. Sie zu verehren, lässt tatsächlich ‚Ströme lebendigen Wassers fließen‘!“. „Nein, das wusste ich tatsächlich nicht. Aber die Vorstellung gefällt mir. So werden Körper, Lust und Sex endlich nicht ausgeschlossen und verteufelt. Sind sie doch echte Gottesgaben!“

„Eben“, hauchte Mona. „Und deshalb werden wir nächsten Sonntag zur selben Zeit wieder Gottesdienst feiern. Du erwartest mich – und ich werde deine Priesterin sein!“

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