Angela, das Achselmädchen

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Angela, das Achselmädchen

Angela, das Achselmädchen

Anita Isiris

Sie hatte die Knie übereinander geschlagen. Das tun die meisten Frauen in diesem etwas langweilig bestückten Vorortszug. „Langweilig bestückt“ heisst hier einfach, dass die Pendler sich oft gleichen wie ein Ei dem anderen. Alle so zwischen 30 und 40 Jahre alt, auf dem Weg zu oder von der Arbeit, und sie werden in Mehrfamilienhaus-Siedlungen verschwinden, abends, meine ich. Tagsüber sitzen sie irgendwo vor dem PC und machen irgendetwas, das auch jemand anderes an ihrer Stelle tun könnte.

Am Abend, in der Wohnung, ist es auch nicht viel spannender. Die Sitzecke von Micasa, frei Haus geliefert. Der TV muss ein Samsung sein, oder, je nach Gehaltsklasse, halt dann doch eher ein Sony oder gar ein B & O. Aber letztlich kommt es immer aufs selbe heraus. Entscheidend ist längst nicht mehr die Hard- sondern die Software. Filme, Soaps, Dokus eine ganze Woche zurückzappen und so. Gigantische Hard Drives allüberall. Clouds. Und die graugesichtigen Familienvätermütterbeamtenundbeamtinnen verziehen sich ins Virtuelle.

Vielleicht sind sie ja gar nicht graugesichtig. Vielleicht ist es innerhalb ihrer Schädel ja bunt, wild und sogar ein bisschen obszön. Aber sie wirken nicht so. Introvertiert, nur zu unterscheiden durch weisse (iPhone) und schwarze (Samsung) Kopfhörerkabel.

Unter ihnen war auch Angela. Verträumt blickte sie in die Ferne. Grosse, grüne Augen. Ein weicher Mund. Gerötete Wangen. Ponyfrisur. Lange, schier endlose Jeans-Beine. Silberngoldene Gürtelschnalle. Lapislazulikette im viel versprechenden Ausschnitt. Träger-T-Shirt. Es ist heiss hier drinnen.

Tom sitzt Angela gegenüber, die beiden kennen sich nicht. Er ist wie vom Donner gerührt, lässt es sich aber nicht anmerken. Angela konstatiert es trotzdem und verändert leicht ihre Sitzposition. Intuitive Abwehrhaltung nennt man das. Sie will nicht, dass Tom etwas sieht – obwohl es ja gar nichts zu sehen gibt. Angela trägt eine nüchterne Blue Jeans – aber, klar: Irgendwo treffen ihre Beine zusammen, und dort ist der Jeansstoff naturgemäss ein wenig dunkler. Angelas dunkler, geheimer Winkel. Aber nicht für Tom bestimmt!

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