Madonna hüpfte aufs Bett, und es sollte ihr letztes Mal sein. Werner ertrug diese unschuldige, unbeabsichtigte Störung schlecht, ganz schlecht. Er packte Madonna am Hals, riss Annelies mit der freien Hand am Haar und fickte wild drauflos, während Madonna gutturale Laute von sich gab, die rasch erstarben. Werner liess die schöne Katze auch dann nicht los, als sie sich längst nicht mehr bewegte.
Mit Annelies' Kraft hätte er nicht gerechnet. Sie entzog sich ihm mit einer einzigen Bewegung, schoss wie ein Pfeil durchs Schlafzimmer, und Werner vernahm metallisches Rumoren aus der Küche. Dann war sie wieder da, die Annelies, in überirdischer Schönheit, glühend, wie er sie noch nie gesehen hatte und wie er sie nie wieder wahrnehmen würde. Das Filetiermesser traf sein Zlel nicht sofort; erst durchbohrte es Werners linke Lunge, dann war die Vena Cava inferior dran. Den dritten Stich positionierte die blindwütige Annelies mitten in Werners Herz. Dieser verdrehte die Augen, wie sich das gehört, sein gewaltiger Körper krampfte sich zusammen, und dann krachte er blutüberströmt in die frischen Bettlaken.
Annelies griff sich Madonna und liess sie nicht mehr los. Wenig später traf die Polizei ein, weil die alte Frau Jansen, die sich bei den Gesetzeshütern schon mehrmals wegen zu lautem Sex in der Nachbarwohnung beschwert hatte, den Hörer dieses eine Mal erst auf die Gabel zurücklegte, als der Kommissar ihr hoch und heilig versprach, an jenem Abend aktiv zu werden und auszurücken.
Die Polizisten, die ins Schlafzimmer stürmten, waren in ihren Gefühlen hin- und her gerissen. Da war das Ekel erregende Bild der verbluteten Laken mit dem toten, verkrümmten Männerkoloss. Die erwürgte Katze, die vom Blut ebenfalls etwas abbekommen hatte. Da war aber auch die splitternackte Annelies, von der selbst in diesem dramatischen Moment exorbitante Schönheit ausging. Selbstverstänlich wurde sie verhaftet, selbstverständlich wurde sie nicht nackt abgeführt, sondern in einem Kimono, die eine Polizistin im Kleiderschrank entdeckte.
Erst Tage danach war Annelies vernehmungsfähig und gab den Mord an ihrer geliebten Madonna zu Protokoll.
Man entschied sich zu einem fürsorglichen Freiheitsentzug; Annelies konnte ihre Strafe in Form eines Aufenthalts in der psychiatrischen Privatklinik zum Lindenblatt verbringen.
In luftig grünem Rock, mit frisch gewaschenem Haar, den Wind in den Locken, trat sie Ende März 2012 über die Schwelle der Klinik, inmitten von ausgebrannten Lehrern der Sekundarstufe, depressiven Bankbeamten und suizidalen Landwirten. Unschuldiger hätte sie nicht wirken können.
Annelies lieben? Oh ja, alle Anwesenden hätten es gekonnt. Die Ärzte. Die Pfleger. Die Therapeuten. Der Koch. Der Gärtner. Und die beiden Polizisten, die sie beidseits flankierten und nach knappem Rapport mit professionellem Kopfnicken das Lindenblatt, die „clinic of the slightly deranged who spend their days in deep freedom“ verliessen.
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