Annina und die Wunderkerze

Annina war am Jäten, der Tag war wunderschön, die Sonne strahlte unbeschwert von einem genauso unbeschwerten Himmel. Sie kniete im Dreck, von Waldemar abgewandt, und dieser konnte kaum an sich halten, beobachtend, wie Anninas Oberkörper hin- und herwippte, während sie ihren Garten von Unkraut befreite. Als Waldemar sich sattgesehen hatte, hustete er, gut wahrnehmbar. Annina fuhr herum und sah in das freundliche Gesicht des jungen Bäckers, dessen Erzeugnisse sie schon oft in gute Laune versetzt hatten. „Was machst Du hier?“, fragte sie überrascht. „Einfach… so“, war die lapidare Antwort des Berufsmanns. Er verstand sich nicht so aufs Reden, umso mehr aber aufs Modellieren, aufs Kneten, aufs Experimentieren.
Annina stand auf und bat den Mann zu dessen grenzenloser Überraschung freundlich in ihren Garten. „Ich… habe Dir etwas mitgebracht“, stammelte Waldemar, der Bäcker, ahnend, dass die restlichen Dorfbewohner, wüssten sie von dieser Situation, ihn ohne zu zögern durch einen Fleischwolf drehen würden. Waldemars Herz klopfte bis zum Hals, als er das quietschende Gartentor aufstieß und bald darauf Annina gegenüberstand. Sie war etwas größer, als er sie sich vorgestellt hatte, und sie rieb sich den Dreck von ihrer Gartenkleidung. Sie lächelte entschuldigend. „Krauseminze-Tee?“, lächelte sie und wies dem Bäcker einen sonnigen Platz an der Hausmauer zu. Seine Blicke folgten ihr, als sie im Haus verschwand. „Welch Wölbungen“, dachte er bei sich, er, der sich, als Teig knetender Mann, schon mit vielen Wölbungen auseinandergesetzt hatte. Stumm griff er in seine Tasche, förderte zwei Vanille-Hörnchen zutage und legte sie vor sich auf den Tisch. „Haj“, rief Annina freudig. „Greif zu“, entgegnete Waldemar gutmütig, und Annina tat, wie geheißen. Schon nur, wie sie die Hörnchenspitze zum Mund führte, ließ Waldemar vor Lust beinahe erstarren. „Was, wenn dieser Lutschemund vielleicht … des Waldemars eigenes Hörnchen …“, aber er führte den Gedanken nicht fort.