Annina und die Wunderkerze

des Dramas erster Teil

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Annina und die Wunderkerze

Annina und die Wunderkerze

Anita Isiris

Niemand wusste genau, woher Annina eigentlich kam. Eines Tages war sie einfach dagewesen und pflegte hingebungsvoll ihren reich bestückten Kräutergarten. Petersilie, Schnittlauch, Basilikum, Thymian, Minze, Oregano, Rosmarin, Salbei und Dill.
Dann war da noch die Oenothera Biennis, die Gemeine Nachtkerze. Sie kommt ursprünglich aus Nordamerika und ist bekannt für ihre leuchtend gelben Blüten, die sich in der Dämmerung öffnen. Sie gehört zur Familie der Nachtkerzengewächse.
Annina, um es auf den Punkt zu bringen, hatte sich noch nie jemandem geöffnet. Dennoch war sie eine sehr sinnliche Frau mit trotzig aufgeworfenen Lippen und Augen, die zwischen nachdenklich, klug-scharfsinnig und weich-matt hin- und herwechseln konnten. Was Kleider anging, hatte Annina einen erlesenen Geschmack. Meist trug sie neckische, selbstgestrickte Söckchen, die ihr bis hoch an die kräftigen Waden reichten, und ihre Kleider verhüllten ihre Figur in einer Weise, die alle verrückt machte, die sich, etwa am Sonntag, ihrem Garten näherten.
Anninas kleines, schmuckes Haus befand sich am Dorfrand, wer aber den Kirchweg beschritt, dem blieb nichts anderes, als dicht am reich bepflanzten Garten vorbeizugehen. Manch einer blieb nach der Predigt, die Zigarre im Mundwinkel, stehen und spähte durchs die Hecke, in der Hoffnung, einen Blick auf die junge Schönheit werfen zu können. Das Dorf war voll von geilen jungen Männern, die, zurück vom Krieg, nach Frischfleisch gierten. Fast allesamt hatten sie unter Syphilis gelitten, wie das unter Soldaten gang und gäbe ist. Im Primärstadium war die Krankheit hoch ansteckend gewesen, und in den bescheidenen, engen Schlafstätten hatten sich die Männer gegenseitig angesteckt. Schmerzlose, harte Geschwüre im Mund- und im Analbereich hatten die Soldaten geplagt, die Lymphknoten waren geschwollen gewesen. Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen waren Begleiterscheinungen, und manch einer hatte aufgrund des Fiebers das Primärstadium nicht überlebt. Die ganz harten Kerls unter den Soldaten hatten das Sekundärstadium durchschritten, mit rötlich-fleckigem Hautausschlag, was die Wanderhuren allerdings nicht daran gehindert hatte, für die jungen Männer die Beine breit zu machen und ihre geröteten, stinkenden und tropfenden Fotzen zu präsentieren, auf dass einer käme und sie nähme. Sie kamen zuhauf, die Männer, und die Frauen bissen die Zähne zusammen. Mit Lust hatte das gar nichts mehr zu tun gehabt, aber pralle Euter zu kneten war eine willkommene Abwechslung zu Puverdampf und zum Ölen der Waffen gewesen.

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