Rainer K. war ausser Atem, als Claudia K. ihm lächelnd die Tür öffnete. Dieses Mal schlug ihm ein klinischer Duft von Desinfektionsmittel entgegen, durchmischt mit dem Fliederaroma schwerer Blüten, die sich vor dem offenen Praxisfenster der Erde zu neigten. Rainer K. wusste: Er hatte genau 60 Minuten Zeit. Der Nachmittag war verplant; er liess es sich auch als Schulleiter nicht nehmen, Physik und Mathematik zu unterrichten, in der Vorstellung, dass ihn die Lehrpersonen so besser akzeptieren und als «einer der Ihren» ansehen würden. Nein, unbeliebt war Rainer K. keineswegs – aber ihm haftete die Aura des Schulleiters an – die Aura von jemandem, der Bescheid wusste über Gehälter, Krankheitsausfälle und Budgetkürzungen. Darum begegneten ihm die meisten freundlich, aber distanziert.
Am Nachmittag stand der Satz des Pythagoras auf dem Programm – auch nicht gerade das Ultrafiltrat einer erotischen Exogese. Rainer K. drückte Claudia K.s warme, trockene Hand und versuchte, ihren Blick zu deuten. Warmherzig, professionell, offen. Warmherzig und offen war ja ganz o.k. Aber «professionell» störte ihn. Ob sie alle Kunden mit einem solchen Blick bedachte?
Dieses Mal hatte Claudia K. ihr Haar im Nacken zusammengebunden, was ihrem Antlitz eine gewisse Strenge verlieh. Sie trug ein smaragdgrünes Top, das perfekt zu ihren ebenfalls grünen Augen passte.
Rainer K. machte es sich auf dem Behandlungsstuhl bequem. Die Stimmung war gelöst; Claudia K. sprach ihn sofort auf den einen oder anderen aktuellen Bestseller an – etwa darauf, ob er «Eismädchen» schon gelesen hätte. «Eismädchen» handelt von einem Psychopathen, der eine Affinität zu Findelkindern hat. Die Story spielt in London und ist von einem unglaublichen Lokalkolorit durchwirkt. Manche Nacht hatte sich Claudia K., einsam in ihrer Wohnung, in die Daunendecke gehüllt und die schauerlichen Phantasien des Psychopathen über sich ergehen lassen. Spätnachts hatte sie sich zum Pinkeln kaum mehr aufs Klo gewagt und war immer froh gewesen, wenn die Morgensonne sie wachkitzelte.
Als Claudia K. sich bückte um für Rainer K. das Fussbad zu bereiten, konnte dieser den Blick, wie auch schon das letzte Mal, kaum von ihrem kleinen, festen Hintern lösen. Dieses Mal wollte er weitergehen und Claudia K. nicht nur in seinem Kopfkino ausziehen.
Dann wandte sie sich Rainer K. zu und baute ihm eine Brücke. «Puuuh, heiss ist das heute wieder», seufzte sie und knöpfte langsam ihren Kasak auf – dieses Mal nicht «nur» in Rainer K.s Traum. Er stellte fest, dass ihr Busen grösser war als er vermutet hatte. Frei pendelten Claudia K.s Lustdrüsen unter dem dünnen Stoff ihres Tops – und zu allem Überfluss beugte sie sich nach vorn, um Rainer K. s Füsse zu untersuchen.
«Richtige Ferienfüsse haben Sie da», sagte sie freundlich – «sie sehen fast so frisch aus wie nach meiner letzten Behandlung». In der Tat pflegte Claudia K. nachhaltig, machte ihre Arbeit gründlich und bediente sich erlesener Öle und Fusscrèmes, die sie ihren Patienten einmassierte.
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