Aschenputtels Hochzeit

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Aschenputtels Hochzeit

Aschenputtels Hochzeit

Marian Fanez

Was hat er doch für ein Glück. Er weiß, unter dem zarten Schleier lächelt sie ihre blauen Augen. "rôter munt, nu lache, daz mir sorge swinde!" flüstert er, den Blick geradeaus zum Altar. "lachen du mir mache, daz ich vröide vinde!", dringt es durch das Geläut zu ihm zurück. Leicht drückt sie seinen Arm.
Inmitten der zutiefst artifiziellen, von Neid und Mißgunst beherrschten Welt des Hofes wirkte Aschenputtel anfangs so befremdlich wie ein wundersames, zartbuntes Fabelwesen. Niemand, den die freundliche Offenheit der märchenhaft Emporgestiegenen nicht zunächst auf das Höchste erstaunt und zur Vorsicht gemahnt hätte. Und niemand, der nicht schon nach kurzer Zeit alles Misstrauen vergaß, da ihr fröhlich einnehmendes Wesen tatsächlich aus unverdorbenen Herzen sprach. "swâ man frouwen prüeven sol, dâ muoz ich für sî schallen, an hübsch und ouch an güete.", war bald ein bekannter Spruch, mit dem man Durchreisenden von der im Königreich schnell berühmten Frau berichtete. Die Bewohner der alten Wehrburg fühlten tiefste Verbundenheit mit Aschenputtel, das in verschwenderischer Fülle den unerschöpflichen Liebreiz ihres äußerlich und innerlich schönen Wesens an die empfänglichen Gemüter mit leichter Hand verschenkte.
Ja, er hat wirklich Glück. Dieses von Stand und Herkunft so bitterarme und unbedeutende, doch äußerst grazile Geschöpf stärkt allein durch die allseitigen Sympathiezuwendungen selbst höchster Würdenträger seine Macht im Reich weit mehr, als er es von jeder in Frage kommenden politischen Vermählung jemals hätte erhoffen dürfen. Dazu hat er alle fraulichen Tugenden an ihr beobachtet: Frömmigkeit, Demut, Selbstlosigkeit, Leidensfähigkeit und Gehorsam. Selbst reinlich ist sie. Na ja, auch klug. So hat er am Ende sogar die Zustimmung seines aufgebrachten Vaters, des weithin befürchteten Königs, erlangen können. Er erinnert sich noch gut des Eindrucks, den Aschenputtel auf den alten Sauertopf und die anwesenden Fürsten machte: Im Thronsaal, abends, der König bitter erfüllt vom Entschluss seines Sohnes. Das Reich zum Gespött der Fürsten einer Dienstmagd verbunden. Was dachte sich der Prinz? Ausdruckslos schadenfroh erwartete der versammelte Hofstaat den ängstlichen Auftritt des fremden Mädchens, der zweifellos im Feuer des königlichen Zorns verheerend verlaufen und mit ihrer öffentlichen Auspeitschung nackt am Pranger oder gar mit ihrer Hinrichtung enden musste. Nun mochte sie kommen.

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