Anna und David gehörten zu den Paaren, denen man auf den ersten Blick ansah, dass sie noch nicht lange zusammengehören. Da war die scheue, rehäugige, gazellenhafte, langbeinige Anna. Sie liebte Parties über alles, wurde gerne eingeladen und war durchaus gesellschaftsfähig – ganz im Gegensatz zu ihrem David.
Optisch kam er Bill Gates verdammt nahe – nur eben: Was am Microsoft-Tycoon sexy wirkt, kam an David nicht wirklich zur Geltung. Die schlecht gewählte Brille mit dem unpassenden Gestell. Die Suppentopf-Frisur. Der bleich machende Rollkragen-Pulli. David hatte aber eine Gemeinsamkeit mit Bill. Er war verdammt intelligent. Dass er sich trotz seiner Intelligenz verliebte, war ausschliesslich Annas verborgenen Reizen zu verdanken. Stand sie an einer Häuserecke, konnte man sie kaum von der Mauer oder dem Gartenzaun unterscheiden, vor dem sie sich befand, so unauffällig war sie.
Setzte sie sich aber in Bewegung, war ihr Gang so anmutig, dass Radfahrer stürzten, gestandene Männer ihre Aktenmappen fallen liessen und Postboten ihre Post. Sie bewegte sich elegant in ihrem langen Mantel, den sie von ihrer Mutter geerbt hatte, elfengleich schon fast. Was sich aber unter dem bejahrten Mantel befand, unter der Jeans, der Bluse, dem Hemdchen, dem Slip und dem BH, ja, das war ausschliesslich David vorbehalten.
Bis dato hatte er noch nie. Wie sollte er auch – seine Computer nahmen ihn dermassen in Anspruch, dass er oft tagelang nicht ans Licht kam. Das Bild, das man sich landläufig vom Hacker, vom Nerd macht, beanspruchte er voll und ganz für sich. Dann stand er an jenem Donnerstag direkt neben ihr – an der Imbissbude. Ihr diskretes Parfum betörte ihn sofort. Die flinken, sorgfältig manikürten Finger, mit denen sie das Geld herauszählte. Das flüchtige Lächeln, das sie ihm schenkte. “Wir müssen uns kennen lernen, unbedingt”, rutschte es zwischen zwei Hamburgerbissen aus ihm heraus. Sie sassen sich am einzigen freien Tisch gegenüber. Ihr überraschter Blick trieb ihn an zu weiteren Sätzen an: “So bald wir hier draussen sind, bist Dqu über alle Berge und ich im Keller drunten. Ich bin Informatiker”.
Sie schwankte zwischen Mitleid, Belustigung und Interesse, entschied sich aber für Interesse. Darum wurden Anna und David ein Paar. Händchen haltend standen sie am reich gedeckten Buffet von Geronimos Geburtstagsparty. Geronimo war Davids Kommilitone; er hatte den wortkargen Freund nicht zuletzt wegen dessen neuer Eroberung eingeladen. David trug blaue Turnschuhe, eine dunkle Röhrchenjeans und einen braunen Rollkragenpulli, der ihm gar nicht mal so schlecht ins Gesicht stand. Anna trug eine beige Seidenbluse, einen dezenten grauen Rock und Stiefeletten, die sie noch elfenhafter erscheinen liessen als sie es ohnehin schon war.
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