Aufklärung

Von da an wird jeder Tag zur Herausforderung. Selbst die Wochenenden, an denen ich sie und ihre Küsse nicht aus dem Kopf bekomme.
Aber der Reihe nach. Auf der Heimfahrt am Tag des ersten Kusses bin ich Beifahrer, da sie in dieser Woche Fahrdienst hat. Bis dahin hatten wir keine Gelegenheit ungestört zu sprechen und ich fühle mich wie ein erfahrungsloser Jugendlicher, als ich Aufklärung anstrebe.
„Lisa …“, würge ich heraus und breche ab, weil mir einfach die Worte fehlen.
„Ja“, haucht sie zurück und blickt mich kurz an, bevor sie wieder konzentriert auf den Straßenverkehr achtet.
Wie geht das? Ich versteh’ das nicht. Wie kann ein Wort und ein schneller Augenkontakt so einen Aufruhr in mir auslösen? Es ist fast, als würden mich ihre Lippen wieder berühren.
„Warum?“, bringe ich nur heraus.
„Was warum?“
„Warum hast du das gemacht? Warum ich? Spielst du mit mir?“, bringe ich es endlich auf den Punkt.
Erneut ein kurzer Seitenblick, bei dem mir das Herz stockt.
„Warte, es kommt gleich eine Waldeinfahrt, da halte ich mal an.“
Zwei Minuten später steht das Auto. Lisa wendet sich mir zu und streicht mir sanft durchs Haar.
„Weil du anders bist. Weil ich mich vom ersten Tag an zu dir hingezogen gefühlt habe. Und ja, du bist … warst eine Herausforderung. Ein Mann, der sich vernachlässigt fühlt und trotzdem nicht jeder Frau nachhechelt“, gesteht sie.
„Da gibt es aber auch noch andere in unserer Truppe“, werfe ich ein.
„Wen meinst du? Ralf etwa?“
Ich nicke.
„Ralf“, Lisa lacht. „Ralf ist keine Herausforderung, der ist einfach unknackbar – mal vom Alter abgesehen – was außerhalb meiner Interessen liegt. Ralf ist abgeklärt, in sich ruhend. Er hat Erfahrung und sieht Dinge die andere nicht sehen.“
„Ich bin auch acht Jahre älter als du“, werfe ich ein.
„Aber keine achtzehn Jahre wie Ralf.“
„Also spielst du doch nur mit mir!?“, stelle ich mehr fest, als ich frage.
Mit versonnenem Blick streicht sie mir wieder durchs Haar.
„Jein.“
„Was jetzt? Ja oder Nein?“
Ich werde ungeduldig. Fühle mich benutzt und verletzt.