Noch bevor er abdrücken konnte, hatte sie fuchsteufelswild das Fenster aufgerissen und ihn angeschrien, er solle abhauen, er solle sich verpissen, wenn er was wolle, solle er hereinkommen und bezahlen. Dies war sein einziger Versuch gewesen, die Atmosphäre des Rotlichtmilieus mit offenem Visier fotografisch festzuhalten. Er war vorsichtig geworden und machte seine Bilder in den kritischen Umgebungen nur noch heimlich.
Er war aber nicht nur Fotograf, sondern auch Mann. Und es war nicht so, dass er unberührt, wie ein Heiliger die Versuchung einfach ignorierte. Ihn überkam durchaus die Lust und die geballte Ansammlung weiblicher Hormone ließ ihn keineswegs unbeeindruckt oder kalt. Nein, wenn er durch die Neonstraßen ging, stellte er sich vor, mit einer schlanken Latina, mit einer drallen Blondine oder doch lieber mit einer rassigen Afrikanerin im Hinterzimmer zu verschwinden. Aber wenn es darauf ankam, Kontakt aufzunehmen, an eines der Fenster zu treten, die Bedingungen auszuhandeln und nach dem Preis zu fragen, wurde sein Mund trocken und die Hände feucht. Seine üblichen Zwangsvorstellungen überkamen ihn und verhinderten, dass er sich auf ein Abenteuer einließ. Er fürchtete, dass genau in dem Moment, in dem er in einem der Zimmer wäre, eine Razzia stattfinden könnte. Oder dass er sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Aids oder eine andere schlimme Krankheit einfangen würde. Oder, ganz bescheuert, dass ihn die Braut mit k.o.-Tropfen lahmlegen würde, nein trinken würde er in solch einer Umgebung nichts, aber sie könnte auch ein teuflisches k.o.-Gas einsetzten und ihn dann beklauen. Das erschien selbst ihm etwas weit hergeholt, aber klassischer Beischlafdiebstahl, das war doch im Bereich des Möglichen. Erst ein wenig Lust, ein wenig Erregung, vielleicht sogar Herumgefeilsche und Frust, weil es nicht so war, wie versprochen und danach wäre auch noch alles weg, das Geld, die Kreditkarte, alle wichtigen Dokumente.
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