Bargeflüster

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Bargeflüster

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Yupag Chinasky

„Wir haben“, sagte jedoch Ana zu seiner Überraschung, als sie die Reste des Malvasiers tranken, „wir haben in der Bar noch jede Menge Alkoholika, von den letzten Filmaufnahmen. Die haben immer gesoffen wie die Löcher. Mir scheint, das Wichtigste für den Produzenten war, dieses Völkchen bei Laune zu halten. Jeden Tag kam ein Lieferservice und brachte die Lebensmittel für unsere Küche und immer waren neue Flaschen dabei, jedem Star sein Lieblingsdrink. Als dann die Dreharbeiten schneller als geplant beendet waren, haben sie alles dagelassen, für das nächste Mal, so der optimistische Chef der Crew. Weil die Bar seitdem nicht mehr geöffnet wurde, steht das Zeug noch genauso herum, wie vor einem halben Jahr. Die Chinesen hatten seltsamerweise kein Bedürfnis nach Schnaps und wollten auch gar nicht in die Bar, kein einziger wollte etwas von den harten Sachen. Die sind schon ein seltsames Volk, diese Schlitzaugen. Kommen Sie mit, wir gehen runter und feiern eine kleine Party, Sie und ich. Eine Abschiedsparty, Abschied von dem Hotel nach all diesen Jahren und auch Abschied von meinem bisherigen Leben. Wir werden da unten bestimmt etwas Geeignetes finden.“

Immer noch überrascht von ihrem offensichtlichen Sinneswandel, die Verwandlung der schweigenden in die nun wieder redende Ana und zudem wegen ihres Angebots neugierig geworden, folgte er ihr, die sich bereits auf den Weg gemacht hatte, ohne seine Antwort abzuwarten. Sie stiegen die Treppe hinunter in das Souterrain, zur Hotelbar. Ana öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. Rote Wandleuchten flammten auf und verbreiteten ein gedämpftes, warmes Licht in einem ziemlich kleinen Raum. Die Bar strahlte denselben soliden, langweiligen Charme aus, gemischt mit dem Flair und der Biederkeit der fünfziger Jahre, der ihm schon im Foyer, im Restaurant und seinem Zimmer begegnet war.

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