Bettina und der Aaronsstab

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Bettina und der Aaronsstab

Bettina und der Aaronsstab

Anita Isiris

Es war schon spät in der Nacht, als Pfarrer Viktor noch einmal seine kleine Dorfkirche aufsuchte. Es hatte geschneit, und die Schneeluft tat ihm gut. Er atmete tief durch, bewunderte den matten Glanz, der sich über den kleinen Friedhof gelegt hatte, dann stieß er das große Kirchentor auf. Die Kirche war niemals abgeschlossen. Vor allem im Winter war sie Zufluchtsort für arme und auch für einsame Menschen, die sich auf der einen oder anderen Kirchenbank ein Nachtlager suchten. Am andern Morgen waren sie oft wieder verschwunden, die Bedürftigen, und Spuren hinterließen sie kaum.
Da entdeckte Pfarrer Viktor auf der vordersten Bank, ganz in die Ecke gedrängt, eine Gestalt. Es war leises Schluchzen zu vernehmen. Zuerst durchfuhr den Pfarrer ein Schreck, dann näherte er sich der Person. Sofort schlug sein Herz höher, denn er erkannte sofort die braunroten Locken, die unter dem schwarzen Schleier hervorlugten. Vorwitzige, braunrote Locken. Solche Locken hatte nur Bettina, die unglückliche junge Frau, deren Verlobter am Vortag auf dramatische Weise ums Leben gekommen war. Ferdinand war Bauer gewesen, und eine seiner Einnahmequellen war die Rinderzucht. Darum borgte er sich ab und zu einen Stier, dessen Aufgabe es war, die Kühe auf dem Hof zu besamen. Dieses Mal führte er einen gedrungenen, kräftigen Bullen nach Hause, von dem eine gewisse Bedrohung ausging. Ferdinand musste kräftig am Seil ziehen um dem Tier zu spüren zu geben, wer hier den Ton angab. Doch dann geschah es. Nachdem der fertile Bulle in seinem Koben festgebunden war, warf Ferdinand einen letzten Blick in den Stall. Er freute sich auf den Abend mit Bettina, mit der er sich in der Folgewoche verloben würde. Sie stammte aus einer armen Weberfamilie, und auch ihre Eltern waren froh, nicht noch einen weiteren Mund verköstigen zu müssen.

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