Alfons beschloss, dass er diese Unart seiner Verlobten ins Gedächtnis rufen wollte, wenn seine spezielle Qualifizierung erst einmal abgeschlossen war. Jetzt aber schlich er sich zu einem der Dienstboteneingänge. Die befanden sich auf der hinteren Seite des Herrenhauses, so dass Alfons ungesehen eintreten konnte. Die Mädchen waren in der Küche mit dem Abwasch beschäftigt, während die Köchin bereits ihren wohlverdienten Feierabend angetreten hatte. Alfons ging die Treppe hinauf, die zur Bibliothek führte. Sie befand sich im mittleren Geschoß am Ende des langen Korridors. Alfons betrat den großzügig bemessenen Raum, dessen Wände fast vollständig mit Bücherschränken belegt waren. Es gab einen offenen Kamin, vor dem mehrere Sessel und ein Tisch standen. Gleich gegenüber befand sich eine Chaiselongue, zu der ebenfalls ein Tischchen gehörte. Alfons stach gleich ein relativ schlichter Holzstuhl ins Auge. Dieses Möbelstück wirkte angesichts der prunkvollen Einrichtung etwas deplatziert. Alfons schob die samtroten Vorhänge auseinander. Dahinter gab es genügend Platz für ein bequemes Versteck. Alfons zog seine Uhr aus der Westentasche. Es durfte nur noch wenige Minuten dauern, bis die beiden Damen eintrafen. Alfons konnte seinen Pulsschlag spüren. Dann hörte er Schritte, die immer näherkamen. Es waren eindeutig weibliche Absätze, die auf dem feinen Parkett Widerhall fanden. Die Tür wurde geöffnet und bald darauf hörte er die wohlklingende Stimme von Fräulein Luise. „Tritt ruhig ein, Alma! Dir ist bewusst, weshalb ich dich hergebeten habe. Dein Verhalten zwingt mich dazu, gewisse Maßnahmen zu ergreifen. Dein Onkel bat mich darum, deine Erziehung zu übernehmen, solange du hier zu Gast bist. Nun hast du dich sehr ungebührlich benommen, indem du die vornehme Dame gespielt hast. Mir kam zu Ohren, dass du dich gegenüber den Dienstboten im Ton vergriffen hast. Solch ein Verhalten dulde ich nicht…“
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