Nein, für Claudia hat der Sommer nicht gut angefangen. Wahrend sich der Grossteil der liebessehnsüchtigen Singles vor dem Spiegel hübsch macht, sich sorgfältig zurecht rasiert (egal ob männlich oder weiblich), mit hoffnungsvoll klopfendem Herzen am Rhein promeniert oder das neue Bikini testet (oben ohne badet bei den hiesigen aggressiven Sonnenverhältnissen eh kein Schwein mehr), sitzt Claudia in ihrer Wohnung und brütet. Auf den ersten Blick würde man sie für ein klassisches Mauerblümchen halten mit ihrer runden Brille, dem rötlich gefärbten Haar und der betont unauffälligen Kleidung. Spricht man sie auf ihre langärmligen T-Shirts an, reagiert sie empfindlich. Sie hätte eine Sonnenallergie, lässt sie verlauten. In Wirklichkeit aber schämt sie sich für ihren Körper. Claudia findet ihre Brüste viel zu klein, ihre Beine zu kurz und, na ja, ihren Hintern, den würde sie keinesfalls freiwillig zur Schau stellen. Mit andern Worten: Claudia ist eine Frau von Tausenden, eine, die den aktuellen Körperlichkeits-Hype nicht mitmachen mag, eine, die bedrückt durch Basels Gassen schleicht, weil ihr soeben ein H&M-Plakat ins Gesicht geschrien hat: „Du gehörst nicht zu uns! Mach, dass du weg kommst! Dein fetter Hintern ist ansteckend! Von deinen lächerlichen Titten ganz zu schweigen! Leave us alone, Baby!“ Ob du es glaubst oder nicht, liebe Leserin: Frauen wie Claudia ziehen Männer an. Wie Honig (oder wie Scheisse) die Fliegen. Aber was heisst da Männer! Geschmeiss eben, Typen, die einer Frau auf 10 Kilometer Distanz ansehen, dass ihr Selbstvertrauen geknickt ist, dass sie sucht, sucht, sucht und doch niemals findet. Frauen wie Claudia sind einfach, ehrlich und geradlinig, und sie glauben an das Gute im Menschen. Nun verhält es sich (im Gegensatz zu Jean-Jacques Rousseaus Behauptung) leider so, dass der Mensch (allen voran der Mann) von Grund auf schlecht ist.
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