Ein kleiner Regionalbus führte uns zur Blauburg. Der Chauffeur musterte mich vielsagend. Eine Frau mit sieben Männern weckte wohl eindeutige Gedanken bei braven Beamten, die, braven Ackergäulen gleich, ihre Arbeit verrichteten. Ich erinner nochmals daran: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie Sex. Abitur, Praktikum, Medizinstudium. Dazwischen gab es einfach nichts. Ein Studifest dann und wann – aber dort ging es eher um Alkohol. Nach Mitternacht waren immer alle zu besoffen, um noch an Sex zu denken.
Endlich erreichten wir die Burg. Das Gepäck mussten wir mit einer Seilbahn hochbefördern. Die primitive Einrichtung hatte seit dem Mittelalter keine Neuerung erfahren. Man schnallte die Rucksäcke auf einem Wägelchen fest und warf mit einem rostigen Zündschlüssel einen Benzinmotor an. Lärm, Gestank und Leistung standen in keinem Verhältnis – aber das kleine Gefährt setzte sich in Bewegung und glitt der steilen Schiene entlang.
Wir erklommen einen schmalen Pfad und waren schon nach wenigen Minuten ausser Atem. Die Mühen lohnten sich aber. Die Blauburg lag in einer wunderbaren Gegend; rund um uns erstreckten sich Hügelzüge, Föhren- und Fichtenwälder und endlose Weiden. Direkt unter der Burg befand sich eine Schweinemast. „Wie in einem KZ“, äusserte ich spontan, als ich die dicht gepferchten Tiere in ihren Koben sah. Dicke Schläuche führten ihnen kalorienreiche Nahrung zu. Ich verdrängte den Gedanken, dass Schweine mit Menschen sehr viel Ähnlichkeit aufweisen. Evolutionsbiologisch gesehen, ist die Menschen- und Schweine-DNA zu grossen Teilenn identisch. Die Frage, ob der Mensch wohl eher vom Schwein abstammt als vom Affen, lag auf der Hand. Hier nun, in idyllischer Gegend, wurden sie gequält für etwas Schinken, Haxen, Kutteln, Koteletten und Ähnliches. Mir wurde schlecht. Meine Kommilitonen empfanden aber anders. „Sind ja nur Tiere“, sagte Andreas. „Bist eben auch nur ein Schwein“, antwortete ich.
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