Dann bezogen wir den Schlafraum. Ich teilte meine Schlafstatt also mit den sieben Jungs aus meinem Studienjahrgang. „Nicht so prüde, Patrizia“, monierte Markus, als ich mich zum Umziehen auf die Toilette zurückzog.
Kurz darauf lud Reto zum Buffet. Wir waren in einem Turmzimmer einquartiert – die dicken Mauersteine und der grobe Riemenboden vermittelten in der Tat einen Touch von Mittelalter. Ich hätte mich gerne für eine Weile hingelegt – aber ich folgte den andern. Der Duft nach Bratfleisch förderte auch bei mir die Produktion von Magensäften.
Dann traute ich meinen Augen nicht. Ein Rittersaal war für uns hergerichtet worden. Im Innern der Burg hatte wohl keiner von uns den Eindruck, dass wir uns in einer Ruine befanden. Alles wirkte gepflegt – ein Teil der Räume war von verschiedenen Denkmalschutz-Institutionen restauriert worden. An einem langen Eichentisch liessen wir uns nieder – die Weinbecher waren aus Zinn. Das opulente Buffet liess nicht nur mich vor Hunger erzittern: Silberne Platten mit Meerfrüchten gab es da, diverse Steaks, Würste und Hühnerschenkel mit verschiedenen Marinaden, Früchte aus allen erdenklichen Ländern, mindestens fünf Salate, sechs Brotsorten und edle Flaschenweine. Ich entschied mich für einen Primitivo, Jahrgang 1986; meine Kollegen taten es mir nach. Mir schien mit einem Mal, dass sie alle meine Nähe suchten. Dass ich hübsch war, wusste ich ja. Aber war mein weisses ärmelloses Kleid wirklich so anziehend?
Wir labten uns am Gebotenen und baten Reto, den Dank fürs herrliche Mahl umgehend an seine Eltern weiter zu leiten. Die Nachspeise bestand aus nicht weniger als zwölf Eissorten, frischem Rahm, exotischen und einheimischen Fruchtsalaten sowie einem unnachahmlichen Baumnusskuchen. Wieder und wieder füllte Markus meinen Zinnbecher. Ich hatte ein warmes Gefühl im Bauch und im Kopf.
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