Blinde Weihnachten

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Blinde Weihnachten

Blinde Weihnachten

Kastor Aldebaran

„Ich nehme die Welt anders wahr als du, meine Ohren hören anders als deine, Gerüche sind für mich ebenfalls wichtig. Sie ersetzten meine Augen, sind die Sinne, auf die ich mich verlassen muss!“

In diesem Moment kamen wir beim Discounter an, setzten unsere Masken auf und ich besorgte einen Einkaufswagen, Anna hielt sich seitlich daran fest, ich schob ihn langsam in das Geschäft, achtete dabei darauf, dass Anna nirgends gegen lief. Nicht einfach bei den beengten Verhältnissen.
„Was brauchst du denn?“, wollte ich von ihr wissen und sie erklärte es mir.

„Ein paar Kekse, Brot, Äpfel wären nicht schlecht und Vanillesoße sowie Marzipanrohmasse!“, erklärte sie.

„Hört sich nach Bratäpfeln an. Lecker!“, sagte ich und sie nickte.

„Gut erkannt junger Mann. Dazu brauche ich Glühwein und Rum. Es ist bei uns eine Art Tradition, gab es immer am Heiligen Abend!“

„Das kenne ich nicht!“, gab ich ehrlich zu.

„Nein, ist irgendwie entstanden, keiner weiß mehr warum genau. Es gibt Vermutungen!“

Wir fuhren weiter und ich suchte nach den entsprechenden Produkten.

„Welche sollen es denn sein?“, fragte ich Anna.

„Nicht die Teuersten. Sie haben es nicht verdient!“, antwortete Anna mir und ich hörte eine leicht verbitterte Stimme heraus.

„Sie haben es nicht verdient?“, wiederholte ich daher, war neugierig auf die Erklärung.
„Nein. Meine vier Enkel lassen sich das ganze sonstige Jahr nicht blicken, nur zum Geburtstag und zu Weihnachten. Für große Geschenke und Geld ist die Oma gut. Meine beiden Kinder und deren Ehepartner sind auch nicht anders. Manchmal telefonieren wir miteinander, aber eigentlich nur, wenn es ihnen schlecht geht. Du weißt ja, Eheprobleme und so weiter. Mein Mann ist leider vor drei Jahren gestorben. Also wie du siehst, eine wirklich tolle Verwandtschaft, die ich habe. Das Problem scheinst du nicht zu haben!“

„Nein, sofern man es ein Problem nennen soll. Keine Frau, keine Kinder, meine Eltern wenig interessiert an mir. Von daher, in dem Sinne keine Familie, die nerven kann!“

„Irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir trotz großer Unterschiede, dasselbe Problem haben!“, sagte Anna und ich musste ihr zustimmen. Bei mir würde keiner kommen, bei ihr kam zwar die Familie, doch sie hätte auch darauf verzichten können. Was besser war, konnte ich nicht entscheiden.

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Fortsetzung erwünscht

schreibt Steinlaus

Hervorragende Geschichte die wirklich eine Fortsetzung verdient hat!

Fortsetzung erwünscht

schreibt Lucky

So spannend wie es gerade war

Gedichte auf den Leib geschrieben