Blue Movie

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Viktoria Tsiffa

Auf dem Foto das mir Mary gab, sah Miranda noch ganz harmlos aus: geblümtes Sommerkleidchen, blasse Haut, dunkles Pagenköpfchen, kindisches, kindliches Lächeln. Süße Siebzehn. So sah Miranda tagsüber aus. Auf dem Foto. Aber Nachts ist sie ein Vamp. Und ich begegne ihr ausschließlich Nachts. Aber dazu später mehr...
Mühsam raffe ich mich auf. Ich greife nach meinem Revolver, der auf dem Nachttisch liegt. Nur noch zwei Patronen in der Trommel und kein Geld mehr für Munition. Der Verband um meine rechte Hand ist blutdurchtränkt und schmutzig. Ein letzter Schluck als Wegzehrung, bevor`s auf die mitternächtliche Beerdigung geht. Nur geladene Gäste zur Trauerfeier. Nur ich. Ich nippe aus meinem Glas. Blut tropft aus meiner zerschundenen Fresse in das Glas und zaubert dunkle Wolken in den Bourbon. Schließlich kippe ich das Zeug schnell runter. Wäre schade drum.
Ich klemme mir den Schuhkarton unter`n Arm. Mit Mary`s dunklem Herzen darin. Deine Zeit ist reif. Sei bereit für`s Doppelgrab, meine Liebe. Ich stehe in der Tür und blicke hoffentlich ein letztes Mal in mein Hotelzimmer zurück, in der Hoffnung, nie wieder hierher zurückkommen zu müssen. Aber das düstere Zimmer sieht zu mir zurück. Dieses Zimmer. Ein Grab, das auf mich wartet.
Das Hotel spuckt mich in die dunkle, feuchtwarme Strasse. Eine Ragtime-Band stapft an mir vorbei wie eine Truppe müder Zombies. Diese Jungs sind auf dem Weg (oder zurück) von irgendeinem Begräbnis. Der letzte Blues treibt die alten Kerle durch die Stadt. Der Tod schubst uns alle durch das Mühsal unseres Lebens. Ich bin einigermaßen überrascht, dass mein guter alter Pontiac noch da geparkt steht, wo ich ihn abgestellt habe. Niemand hat ein Interesse daran, diesen häßlichen, heruntergekommenen Kerl von einem Automobil zu stehlen. Niemand hat den Kofferraum geplündert. Niemand hat mein Autoradio geklaut. Und sogar Charlie sitzt noch auf dem Beifahrersitz und fault vor sich hin. Charlie in seinem billigen schwarzen Anzug. Charlie sieht aus wie der jüngere Michael Jackson als der noch "schwarz" war. Nur Charlie wirkt irgendwie... toter. Weniger lebendig. Oder sagen wir besser: Charlie weilt nicht mehr unter uns Lebenden. (Sofern wir das Mühsal unseres Daseins als Leben betrachten) So richtig tot ist Charlie aber auch noch nicht. Man hat ihm ein Gift injeziert das alle Muskeln lähmt aber die Sinne wachhält. Atmung, Kreislauf und Herzschlag werden durch das Gift auf ein kaum wahrnehmbares Minimum heruntergefahren. Ein Arzt würde jetzt leichtfertig sagen: Charlie ist tot. Ein Voodoo-Priester würde sagen: Charlie ist auf dem Weg zur Hölle. Beides ist irgendwie zutreffend.

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