Die Aufregung spiegelte sich in der hektischen Betriebsamkeit auf den Parkplätzen in unserer Straße wider. „Was nehmen Sie alles mit?“, fragte mein Nachbar. „Nur das Notwendigste: Schlüssel, Papiere und Geld. Die Bombe soll ja schnell entschärft werden“, antwortete ich.
Mein Nachbar schüttelte den Kopf. „Das sagen Sie nur, um uns zu beruhigen. Nachher dauert alles viel länger, und wir müssen zusehen, wo wir die ganze Zeit unterkommen.“
Ich machte mich mit meinem Wagen auf den Weg zu einer Turnhalle einer nahen Schule; dort könnte man sich aufhalten, mit Freunden und Nachbarn plaudern und würde regelmäßig über den Stand der Arbeiten informiert, vor allem, wann man wieder nach Hause zurückkehren könnte, hieß es in einem Informationsblatt.
Als ich die stickige Luft, den Lärm von Kindern, das Gebell von Hunden und das Musikgedudel aus einem Lautsprecher vernahm, hielt mich auch das reichhaltige Angebot an Kaffee und Kuchen nicht davon ab, den Mann vom Ordnungsamt zu fragen, ob es Alternativen gäbe.
„Zwei Straßenzüge weiter finden Sie ein Restaurant, wo man auch gemütlich zu Abend essen kann.“
Schon als ich die Tür zum Restaurant öffnete, erkannte ich, dass ich nicht der einzige war, dem er diesen Ratschlag gegeben hatte. So sehr ich mich umschaute, nirgendwo fand ich einen freien Tisch, nur an der Theke war einer der hohen Barhocker noch frei, direkt neben einer Frau, die nicht wusste, in welche Richtung sie ihre Beine stellen sollte, um den neugierigen Blicken der Umherstehenden auszuweichen.
Als sie mich bemerkte, zog sie den Saum ihres kurzen Rockes tiefer zu ihren Knien. Doch kaum bewegte sie sich, gab er wieder ein Stück ihrer Schenkel frei. Zu den jüngeren Jahrgängen gehörte sie nicht mehr. Sie lächelte, als ich neben ihr stand.
„Ist hier noch frei“, fragte ich. Sie nickte. Ich bestellte bei dem Mann hinter der Theke ein Bier und nahm mir erst jetzt Zeit, die Frau mir gegenüber näher zu betrachten: Nichts besonders Erwähnenswertes bemerkte ich: Unter einer roten Jacke trug sie einen weiten Pullover, der nicht verriet, wie groß ihre Brüste waren, darüber eine Jacke mit langen Ärmeln. Geschminkt war sie nicht, auch ihre Fingernägel hatte sie nicht lackiert. An ihrer rechten Hand trug sie einen Ring; sie war offenbar verheiratet. Ihre Haare hatte sie pflegeleicht kurz geschnitten, vielleicht ein wenig zu kurz. Zwei grüne Ringe zierten ihre Ohren. Erst jetzt auf den zweiten Blick bemerkte ich ihre sanften Gesichtszüge, ihre großen Augen, ihre schmalen Lippen und ihren schlanken Hals.
Je länger ich sie betrachtete desto jünger erschien sie mir. Schließlich erinnerte sie mich an eine Jugendliebe, die jetzt so alt sein musste wie sie, so um die 40 Jahre, schätzte ich.
„Sind Sie auch wegen der Bombenentschärfung hier?“, fragte ich.
„Ja“, antwortete sie schüchtern und berichtete, dass sie direkt neben dem Bombenfund wohnte. Auch sie hatte schnell alles Notwendige zusammengerafft, war erst in die Turnhalle gegangen und danach auf Empfehlung des Mannes vom Ordnungsamt hierhergekommen. Wieder zog sie den Saum ihres knappen Rockes herunter. Es gelang ihr auch diesmal nicht, ihre Knie damit bedeckt zu halten.
„Darf ich sie zu einem Kaffee einladen“, fragte ich. Sie hüllte sich in Schweigen.
„Die Bombenentschärfung dauert bestimmt etwas länger“, hakte ich nach. Die Frau nickte stumm; ich bestellte zwei Kaffee. Sie nahm sofort einen Schluck aus der Tasse. Diesmal lächelte sie mir verlegen zu.
Bombenentschärfung
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Bombenentschärfung
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