Bondage art

Lost in transformations - Teil 1

7 24-37 Minuten 1 Kommentar
Bondage art

Bondage art

Yupag Chinasky

Er streckte die Arme seitlich aus, verschränkte sie dann hinter dem Kopf und dreht den Oberkörper hin und her. Anschließend waren ein paar Übungen zur Dehnung und Lockerung der verkrampften Finger an der Reihe. Der Computer surrte leise, eine Melodie erklang, die Dropbox wurde geöffnet, doch noch war nichts eingetroffen. Der digital aritst stand auf und griff nach der Flasche, die in Reichweite auf einem Bord über dem Computer deponiert war. Ein tiefer Schluck war die beste Medizin gegen die aufkommende Müdigkeit, eine sichere Droge, um die schwindende Konzentration wieder herzustellen, ein probates Mittel, um die Arbeit mit neuem Elan fortzusetzen. Whisky war besser als Kaffee. Er trank immer Whisky, immer direkt aus der Flasche, immer billiges Gesöff aus dem Supermarkt. Noch ein Schluck, dann schloss er die brennenden Augen, die lange auf den Monitor gestarrt hatten. Hinter ihm lag harte Arbeit, aber harte Arbeit war er gewohnt. Er war gefragt und hatte Erfolg, weil er gut war, ein Meister der Bildbearbeitung, einer, der aus dem Rohmaterial digitaler Aufnahmen, anspruchsvolle Bilder machte, einer, der mit Hilfe des Computers und der besten Software, die es gab, die finalen Kunstwerke schuf. Diese Werke waren etwas Besonderes, Synthesen aus einzelnen Fotografien, Zusammenfassungen von zeitlichen Abläufen, komplexe Kompositionen. Er stellte regelmäßig Beispiele seiner Arbeit in das Internet, auf seine Homepage, in spezielle Kunstforen. Dadurch wurde er bekannt, dadurch bekam er neue Kunden und so erhielt er auch diesen seltsamen Auftrag. Den Auftraggeber kannte er nicht, nur das Pseudonym, das in den e-mails verwendet wurde, mit denen er sich gemeldet hatte. Die Recherchen des digital artists führten ins Leere. Er sollte Bilder für ein Projekt „bondage art“ schaffen, die vergängliche Kunst der Fesselung mit ihrer eigenartigen Ästhetik in einen fassbaren Zustand, in beständige Bilder überführen.

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Shibari

schreibt N8Dreams

Eine ungewöhnlich gute Geschichte, mal was Anderes. Man ist neugierig darauf, wie es weiter geht.

Gedichte auf den Leib geschrieben