Bondage art

Lost in transformations - Teil 1

7 24-37 Minuten 1 Kommentar
Bondage art

Bondage art

Yupag Chinasky

Ein Schluck Whisky, dann noch einer und noch einer und dann war er in der Lage, auch sein letztes Bild zu gestalten. Es führte ihn wieder zurück, zum Anfang des Happenings, zu den langweiligen Bildern, die er noch in der Vornacht verachtet hatte. Die junge Frau hing ruhig in ihren Fesseln. Ihr Gesicht war entspannt, sie schien zu träumen. Sie wirkte verklärt, sinnlich, erotisch, anziehend und begehrlich. Sie war noch weit entfernt von der Angst und dem Ekel, der Pein und der Demütigung in den späteren Bildern. Der digital artist wunderte sich nicht, dass der Alte sich bei diesem Anblick aufgegeilt hatte. Als er merkte, dass die hängende Frau für ihn unerreichbar war, nicht nur weil sie hing, sondern weil diese schöne, blonde Frau für einen Alten wie ihn einfach unnahbar war, drehte er durch und demütigte sie und misshandelte sie. Zu viel Sinnlichkeit für einen alten Voyeur, dachte der digital artist, zu viel Reinheit. Diese Schale musste er erst zerstören, um sie gefügig zu machen, um sie ihm zu Willen zu machen, obwohl es keine Bilder gab, auf denen er sich ihr zu einem finalen Akt genähert hatte. Aber, so dachte der digital artist weiter, vielleicht hatte er ja nicht alle Bilder bekommen.
Er begann jedes Detail des Bildes zu prüfen, zoomte Einzelheiten heran, führte kleine Korrekturen durch, verstärkte hier die Kontur eines Seils, entfernte dort einen hässlichen Fleck auf der Haut. Um die richtige Farbe und Tönung der Haut zu finden, um ihre Struktur nicht aufdringlich, aber auch nicht zu flach erscheinen zu lassen, musste er lange herumprobieren und viele Entwürfe verwerfen. Lange überlegte er auch, ob er das Fenster im Hintergrund, nein, den Blick durch dieses Fenster, ein wenig aufhellen und klarer machen sollte, unterließ es aber, denn so war das Bild geheimnisvoller, ungewisser. Er steckte auch in die weniger wichtigen Bildteile viel akribische Arbeit. Alles musste stimmen, das Ganze musste stimmig sein. Das war sein Geheimnis, das hatte ihm Erfolg gebracht. Perfekt war natürlich auch der wichtigste Teil des Bildes, nicht nur der dunkle, glitzernde Hintergrund, perfekt war am Ende der Arbeit auch der nackte, verschnürte Körper der hängenden Frau und ihr stilles, verklärtes Gesicht.
Als er mit der Bearbeitung fertig war, druckte er das Bild aus, verlagerte das virtuelle Stadium in eine greifbar, anfaßbare Form, transformierte die visuellen Eindrücke aus der digitalen Welt des Monitors auf edles, handgeschöpftes Bambuspapier. Das waren die Endprodukte, klassische Kunstwerke, die er seinen Auftraggebern guten Gewissens übergeben konnte. Er musste den Druck wiederholen und einige Verbesserungen vornehmen, bevor er zufrieden war, aber das war normal, der Eindruck, den Papierbild hinterlässt ist anders als ein Monitorbild. Dann hängte er das fertige Werk an die Wand, neben die anderen Bilder aus der Serie, neben die aufgeregten, ekeligen action pictures. Es war genau dier Kontrast, der ihm gefiel. Dieses schöne, ruhige Bild war die perfekte Gegenposition zu all den faszinierenden Scheußlichkeiten. Er atmete tief durch und genehmigte sich einen letzten Schluck aus der fast leeren Whiskyflasche, dann gähnte er und schaltete, zufrieden mit sich und seinem Werk, den Computer aus.

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Shibari

schreibt N8Dreams

Eine ungewöhnlich gute Geschichte, mal was Anderes. Man ist neugierig darauf, wie es weiter geht.

Gedichte auf den Leib geschrieben