Er erwarb ausschließlich zeitgenössische Kunst, von der er annahm, dass sie sich auf dem Markt lukrativ weiter entwickeln würde. Er hatte für Prognosen immer einen guten Riecher gehabt und für riskante Geschäfte immer ein gutes Händchen, Eigenschaften, die ihn schon in seinem angestammten Beruf ausgezeichnet hatten und ihn auch jetzt nicht verließen. Zu Beginn seiner Händlertätigkeit ließ er sich die erworbenen Gemälde, die Drucke oder die hochwertigen Fotografien in seine Wohnung kommen und hängte sie an die wenigen weißen Wände oder stellte die avantgardistischen Skulpturen vor die raumhohen Fenster. Rasch merkte er, dass es gar nicht notwendig war, die Kunstobjekte materiell zu besitzen. Es war eher sogar eher lästig, die Transporte mit dem Risiko von Beschädigungen, die teuren Versicherungen, der Platzmangel in seiner Wohnung und die etwas ernüchternde Erfahrung, dass ihm vieles, ja fast alles, was er erwarb, gar nicht gefiel, dass er sich die teure Kunst gar nicht lange anschauen wollte, dass er immer froh war, wenn er das Zeug wieder loshatte, dass er es zu einem angemessenen, das heißt zu einem weit höheren Preis wieder verkaufte. Wie er das schaffte, war eines seiner Geheimnisse, dass er vielleicht selbst gar nicht so recht kannte, aber Tatsache war, dass er fast immer, bei fast jeder Transaktion, einen guten Schnitt machte. Vielleicht war die Fähigkeit den richtigen Moment für den Verkauf abzuwarten eines dieser Geheimnisse. Um jedoch abzuwarten, brauchte man nicht die physische Präsenz der erworbenen Güter. Die Kaufurkunde, das Echtheitszertifikat, die Rechnung, eine gute Abbildung oder Reproduktion genügten vollauf. Sie genügten allemal, um mit den Kunstwerken zu jonglieren, sie irgendwo, in anonymen Depots zwischenzulagern, anzudeuten, dass man etwas hatte, Köder auszulegen, zu pokern und sie zum geeigneten Zeitpunkt wieder an das Tageslicht zu holen und schließlich lukrativ zu verkaufen.
Shibari
schreibt N8Dreams