Briefwechsel mit Huzuki

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Briefwechsel mit Huzuki

Briefwechsel mit Huzuki

Anita Isiris

Freiburg, 17. Februar 2020

Liebe Unbekannte

Eigentlich würde ich ihn gerne kennen, Deinen Namen. Berisha? Thali? Larissa? Es muss jedenfalls ein klangvoller Name sein, melodisch so geschwungen wie Deine kunstvoll nachgezogenen Augenbrauen. Ich nenne Dich jetzt mal Berisha. Mit Deinem ovalen, schönen Gesicht, dem tiefschwarzen, glänzenden Haar und Deinen wachen Augen bezirzt Du hier alle. Weisst Du das, Berisha? Wir sind alles Beamte und Beamtinnen auf Mittagspause, sitzen vor unseren Thon-Sandwiches, einer Limo und süffeln anschliessend einen Kaffee, bevor sie uns wiederhat, die Grossraumbüro-Katakombe. Ein ewiges Surren und Murren, das uns, ohne dass wir es merken, die Energie wegsaugt, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr – bis uns womöglich ein Herzversagen ereilt. Trostlos, Berisha? Du nennst das trostlos? Ich beobachte Dich schon lange, ich bin der Mann, der sich, sofern der Platz frei ist, zuhinterst in die Ecke lümmelt, in sicherem Abstand vom Gas-Kaminfeuer, über mir ein Kronleuchter, hinter mir eine ausladende Bücherwand mit Regalen, die sich zum Teil wegen Alkoholika durchbiegen: Oban Whiskey, Eierlikör, Scotch Bourbon. Heute bist Du längere Zeit neben mir gestanden, Berisha, hast mir den Rücken zugewandt, weil Du Dich mit den beiden jungen Frauen am Nebentisch unterhalten hast. Du hast mir noch etwas anderes zugewandt: Deinen Hintern. Oder darf ich sagen, Deinen Arsch? Auf wundersame Weise gewölbt, und die schwarze Jeans spannt sich über Deine Pobacken. Ich bin nicht der Einzige, Berisha. Nicht der Einzige Hypnotisierte hier. Mehrere Männeraugen richten sich auf Deine Hinterseite, und die Kopfkinos laufen auf Hochtouren. Ich kenne doch meine Geschlechtsgenossen. Berisha nageln… gleich hier, auf einem der Clubtischchen, vor allen andern, die gerade ihre Mittagspause verbringen? Public Berisha? Abends, nach Geschäftsschluss der Konditorei, im Schatten der Betonbrücke?

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