Brigi

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Anita Isiris

Hallo, ich bin die Brigi. Ich lebe in einem Berner Aussenquartier, und ich glaube, dass mich die Leute hier mögen. Vor allem den Männern scheine ich es angetan zu haben – und die beiden jungen Gärtner bleiben gerne etwas länger für einen Schwatz, auf meiner Veranda, und wenn ich gerade Kaffee habe, dann gebe ich ihn aus. Ich bin blond und habe eine etwas dralle Figur. Ich finde mich nicht fett, nein, keineswegs, und auch mein Mann Bernd liebt meinen ausladenden Hintern.

Ich bin Laborantin, musste aber wegen der Kinder meinen Job quittieren. Als „nur“-Hausfrau ist mir ab und zu etwas langweilig. Ich lebe in einer perfekten, kleinen Siedlung, und alles hier ist überschaubar und ordentlich. Selbst die Bewohner. Die Familienväter sind meist im mittleren Kader angelangt, haben alle das gleiche Problem. Sie sind allesamt um die Vierzig und ahnen, dass sie ihre Position wohl behalten werden. Kreativität, Intelligenz, Mut? Ecken und Kanten? Fehlanzeige. Der Prototyp eines solchen Familienvaters ist unser Nachbar, Daniel. Er wurde letztes Jahr 39 Jahre alt, und sein höchster Abschluss ist ein Projektmanagement-Zertifikat. Er erzählt das jedem. Es gibt keine Ärzte im Quartier, keine Juristen und keine Lehrer. Sehr wohl aber Systembetreuer, Webdesigner und den stellvertretenden Stellvertreter eines stellvertretenden Elektrokonzernmanagers.

Ich, die Brigi. Blond, drall und etwas gelangweilt. Ich kleide mich gerne neutral, und meine Slips sind allesamt schwarz, mit einer Ausnahme. Eine Unterhose mit blauen Punkten, die ich mir neulich bei Aldi erstanden habe. Sie gefällt nicht nur mir, sondern auch meinem Mann Roberto und den beiden Kids, meinem Sohn und meiner Tochter.

Nun ja. Eigentlich wollte ich von etwas ganz anderem erzählen. Wir haben hier draussen eine Bahnverbindung, die uns viertelstündlich in die Innenstadt katapultiert. Die Bahn ist stets bis auf den letzten Platz ausgelastet, weil sich eben viele langweilen und in die Innenstadt katapultieren lassen wollen.

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