Er schreckte aus seinen Träumen auf und ihm fiel siedend heiß ein, dass es höchste Zeit für seine Nachtischmasche war. Sie hatte bereits das meiste des Käsearrangements aufgegessen, das sie vor sich ausgebreitet hatte und mühte sich von dem einzigen verbliebenen Stück, einem weichen Brie, die Rinde zu entfernen. Jeden Moment würde sie zum letzten Gang aufbrechen, zum Dessert. Er stand auf und räusperte sich. Sie hob den Kopf und sah überrascht in das Gesicht, das plötzlich über dem Grünzeug erschienen war. Sie registriert, wie zwei Augen sie unverfroren anstarrten und der grimmige Normalzustand trat wieder ein. Er lächelte schief und wollte gerade loslegen, da klingelte ihr Handy. Sie wandte ihren Blick unverzüglich von ihm ab und ihrer Handtasche zu, kramte darin, holte ein goldfarbenes Minigerät heraus, klappte es auf und hielt es sich an ihr Ohr. Nach dieser Unterbrechung seiner Anmache war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich wieder zu setzten und weiter zu beobachtete, wie sich ihr Gesichtsausdruck in beeindruckender Weise veränderte. Zuerst zeichnete sich beim Kramen in der Handtasche eine gespannte, freudige Erwartung ab, die beim Aufklappen des Handys in sichtliche Erregung über ging, doch nach wenigen Sekunden des Lauschens machte sich ein enttäuschter Unwillen breit, der im Laufe des nachfolgenden Gesprächs in einer deutlich spürbaren Langeweile endete. „Was isch los? Wo isch bin? Beim Türk, mit de Kattie. Welsche Kattie? Die von de Haushaltswareabteilung. Han isch dir doch gsacht, dass isch mit de Kattie erscht ins Kino und dann esse geh. Welscher Film? Kann isch dir ehrlich net sache, de Titel han isch scho wieder vergesse, die heeße doch all gleich. So was mit Herz und Schmerz. Ob mir fertig sin? Mir sin grad zu der Tier nei kumme und han zwee Deener bstellt. Wann mir fertig sin, bring isch die Kattie noch heem und sie kocht uns en Kaffee. Warum rufschst denn iberhaupts ah?“ Sie lauschte eine Weile, konzentriert, ohne etwas zu sagen, dabei wurde ihr Gesichtsausdruck immer angespannter und als sie dann selbst laut und hektisch zu reden begann, spiegelte sich darin das blanke Entsetzen. „Des kann doch net wor sei. Was hascht ihr denn zum fresse gebe, hättscht bloß net die billich Sardinepaschte beim Aldi kaaft? Was haschst bloß mit meim arme Kätzel gmacht, dass es kotze muss, du Wüschtling, du Geizhals. Isch komm glei, isch bstelle de Deener ab und de Kattie muss sich a Taxi nehme. Ala, bis dann.“
Sie verstaute rasch das Handy, stand auf ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, stakte zur Kasse, unterschrieb den Bon der Kreditkarte und eilte auf den Parkplatz. Er folgte ihr zeitverzögert und sah gerade noch, wie ein überdimensionierter Landcruiser einen gewaltigen Kavalierstart hinlegte und sehr dicht an ihm vorbei donnerte. Er meinte auch bemerkt zu haben, dass die Frau am Steuer ihn anschaute und sich mit dem Zeigefinger an die Stirn tippte. Oder hatte sie die Hand zu einem bedauernden Gruß gehoben? Hinter ihm gingen die Lichter des Restaurants aus. Er stand unschlüssig da, die Nacht vor sich.
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