Es war kurz vor zehn, als die Eingangstür aufschwang und ein später Gast erschien. In dem angesagten Edelrestaurant war es um diese Zeit still geworden. Nur noch wenig Leute verteilten sich auf noch weniger Tische, niemand redete und Musikberieselung war hier ohne hin verpönt. Das Büffet sah ramponiert aus. Abends gab es nur Buffet, all-you-can-eat Büffet auf allerhöchstem Niveau für gut betuchte Feinschmecker und Geschäftsleute mit Firmenkreditkarte. Die leckersten Sushis waren weg, die letzten Krümel der getrüffelten Lammsülze lagen verloren in der frischen Minze, der Kaviar war ausgelöffelt und die Bouillabaisse in der kugelrunden, schwarzen Chauffage de Soupe fast eingetrocknet, dennoch gab es noch genügend Köstlichkeiten zur Auswahl. Vor neun war eine Reservierung unumgänglich, nach neun hatte man freie Platzwahl, musste sich jedoch mit dem begnügen, was noch vorhanden war, denn es wurde nichts mehr nachgeliefert und pünktlich um halb elf, wenn die Geschäftsleute üblicherweise gegangen waren, schloss der Gourmettempel . Einer der letzten Gäste saß vor einem erkalteten Latte Machiato und der Rest Remy Martin in dem überdimensionierten Cognacschwenker zeigte an, dass sich das kulinarische Vergnügen seinem Ende näherte. Es hatte ihm wie immer hervorragend geschmeckt, wenn auch die Vinaigrette zum Spargel heute eine Spur zu aggressiv gewesen war. Auch diesmal hatte er sich reichlich bedient und sich das investierte Geld zum größten Teil wieder einverleibt. Obwohl vollauf gesättigt, hatte er dennoch oder gerade deswegen Appetit auf mehr, wenn auch nicht auf mehr Essen, und er überlegte, wie er den Rest des Abends gestalten sollte, lieber angenehm, ruhig oder doch besser angespannt, aufregend. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn seine satte Ruhe wurde durch den neuen Gast gehörig durcheinandergewirbelt.
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