… und es geschah...
Rafael seufzte und war der glücklichste Mensch dieser Welt – wenn da nur nicht dieser Sturm gewesen wäre. Ungnädig rüttelte er am Dach, an den stabilen Pfosten und an der Holzveranda. Vor Jahren schon hatte Rafael einmal das Dach ersetzen müssen. Aus Geldnot heraus hatte er sich selber daran gewagt, Löcher, die der Sturm gerissen hatte, mit Stroh und Holztäfelungen zu verdichten, aber nichts ist von ewiger Dauer. Da war aber noch etwas anderes, Unheimliches. Das wohlige Suhlen in der Wanne, die Eier von Christina gekitzelt, den Schwanz von ihr gelutscht zu bekommen, hinderte Rafael nicht daran, genau hinzuhören.
Das Geräusch kam von der Haustür! Waren es Kojoten? Wölfe? Rafael vernahm ein Keuchen, vermeinte ein Heulen zu vernehmen. Dann war es wieder still. Nur das Dach wurde vom Wind gerüttelt, in unregelmässigen Abständen.
„Die nächste Geschichte gefällig, Lieber?“ Schon nur mit „Lieber“ angesprochen zu werden, verursachte bei Rafael ein warmes Gefühl in der Herzgegend. Er schloss die Augen und antwortete nicht gleich. Wie nah, wie unendlich nah war Christinas Schokospalte in diesem Moment! Er durfte sie ertasten, durfte streicheln, aber das Eindringen? Würde sie es ihm wirklich verwehren? Oder würde er tatsächlich der Erste sein dürfen – noch vor dem Bürgermeister, dem Kürschner, dem Sattler, dem Bäcker, dem Förster?
Christina liess von Rafael ab und räusperte sich. An der Haustür war es still.
„Jeremias van Winghe hat am Anfang des siebzehnten Jahrhunderts ein Gemälde geschaffen, das an Hintergründigkeit seinesgleichen sucht. Nein, auf diesem Bild ist eigentlich nichts Besonderes zu sehen: Drei Männer beim Brettspiel. Sie verkürzen sich so die Wartezeit. In der Küche dominieren Lammkeule, Kohl und Möhre – und ein gerupftes Huhn. Es liegt auf dem Rücken und bietet schamlos sein aufgeschlitztes Hinterteil dar.
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