Claires Urlaub

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Claires Urlaub

Claires Urlaub

Anita Isiris

Bisher hatte Claire sich nie für Billard interessiert. Sie wusste lediglich, dass es da diesen Queue gab, den neckischen Stock, mit dem man bunte Kugeln in beliebige Löcher manövrierte. Die Flitterwochen mit Alfred in Amalfi hatten gut begonnen. Sehr gut sogar. Da gab es nämlich zahlreiche hübsche junge Männer in diesem italienischen Paradies.

Versonnen starrte Claire auf den Billard-Tisch, oder, genauer gesagt, auf den unwahrscheinlichsten Jeanshintern, den sie an einem Mann je gesehen hatte. Vermutlich trug er eine Levi’s. Derart muskulöse Schenkel gab es sonst – wenn überhaupt – nur auf Leinwänden oder Plakaten zu bewundern. Claire nippte an ihrem Espresso.

Wo Alfred nur blieb? Insgeheim wünschte sie, er möge noch eine Weile weg bleiben, damit sie den Adonis ungestört beim Spiel betrachten konnte. Um irgendetwas zu tun, rückte sie ihr knappes Top zurecht. „I balloni sotto la T-Shirt“ stand darauf, Zitat eines Gianna-Nannini-Songtexts. Geschmeidig bewegte sich der Hintern, einem Tiger gleich – oder doch eher wie ein Puma? Aber wie, verdammt, machte man einen Puma auf sich aufmerksam?

Claire hatte ein Problem: Die besten Stücke liefen ihr immer zu spät über den Weg. Das war doch schon bei ihrem Handy so gewesen. Kaum hatte sie – nach etlichen Widerständen - so ein Teil erworben, kam ein schnuckliges Ding auf den Markt, wahlweise in rosa, mintgrün oder lila, mit verziertem Zifferblatt, eingebauter Kamera und einem Monatskalender. Alfred war völlig o.k., klar, so wie auch das Handy, das sie im Moment besass. Nur eben: Da gab es Besseres. Alfreds Hintern war flach wie eine Flunder – aber das wäre noch angegangen. Wenn Frau liebt, schaut sie über solche Nichtigkeiten hinweg. Leider verstand er aber gar nichts von Kleidung. Seine Unterhosen waren reine Liebestöter, die Hemden passten zu gar nichts und die Hosen standen ihm so schlecht, dass er manchmal darüber stolperte.

Sie hatte ihm aus unerfindlichen Gründen das Jawort gegeben. Hämisch hatten auf dem Kirchplatz ein paar bizarre grosse Vögel gekrächzt; Claire erinnerte sich genau. Wie bloss reizte man einen Puma? – So, dass er einen nicht gleich auffrass, aber einen eine kleine, süsse italienische Nacht lang umschnurrte? Unhörbar seufzte Claire – und im selben Moment erschien Alfred strahlend an ihrem Tisch. Er trug ein achtlos in die Hose gequetschtes Hemd mit dicken grünen Streifen – dazu eine helle Hose mit braunen Längsstreifen. „Perfekt, einfach perfekt…“ dachte Claire ironisch und warf einen letzen Blick auf den Arsch des Billardspielers. „Ich möchte Dich wochenlang verwöhnen, Schätzchen!“ Claire schauderte. Abwesend stiess sie mit ihrem Angetrauten auf die Flitterwochen an, von denen er sich im Übrigen viel versprach – und wandte sich nochmals kurz dem Billardtisch zu. Die Pasta fresca schmeckte wie Karton, da half auch das Chinotto zum Runterspülen nicht, das sie sonst so liebte.

„Was ist mit Dir, Käferchen? Bist Du so scharf auf mich?“ Dieser Alfred war so was von unsensibel, begriff gar nichts. Ein dödeliger, strunzgeiler, doofer Mann – jedenfalls nichts für eine langjährige Ehe – schon gar nicht mit ihr, Claire! Das neue, attraktive Handy würde sie erstehen, sobald sie in Milano wären – wie aber wurde sie diesen Typen los, der nur darauf wartete, sein Ding in sie reinzustecken?

Claire brauchte Ablenkung. „Ich zieh mich rasch um, dann gehen wir spazieren, ja?“ schlug sie ihm vor um den Tag zu retten, der übrigens wunderschön war. Ein Tag in Terracotta und Azzurro. Gemächlich ging sie vor ihm her zur Lounge und drückte den Liftknopf. Alfred hatte nur Augen für ihren Hintern, meinte sie zu spüren. Als sie im romantischen Zimmer mit den typischen italienischen Gardinen ihren engen Rock aufknöpfte, eilte er ihr zu Hilfe. Alfred glaubte, er hätte jetzt ein Anrecht auf sie. Schliesslich waren sie Eheleute. Er komplimentierte Claire aufs Bett und konnte seine Gier nur schlecht verstecken. Mit schmatzenden Geräuschen küsste er ihren Bauch, ihre Hüften… und leckte ihr den Schweiss aus den Achselhöhlen.

Er hatte mal gelesen, dass gewisse Frauen auf so was standen. Sein Pimmel in ihrem Innern fühlte sich etwa so erotisch an wie ein Thermometer. Claire versuchte mit geschlossenen Augen, den Billardhintern heran zu projizieren – Alfreds Keuchen, Hecheln und Stöhnen machte das aber völlig unmöglich.

Claire liess ihn gewähren und unterdrückte ein Gähnen. Sie würde am nächsten Morgen früh aufstehen. Alfred war Langschläfer. Das war ihre Chance. Sie würde sich im Dorf ein neckisches italienisches Badekleid kaufen, einen Einteiler, der ihre Speckröllchen ein wenig kaschierte – und bestimmt würde sie unten am Strand ihrem Traummann begegnen. Mit diesen Gedanken liess sie ihre Scheidenmuskeln ein wenig spielen und verhalf Alfred doch noch zu etwas Freude. Auf dem Spaziergang teilte er ihr mit, dass am nächsten Morgen eine geführte Expedition in die nähere Gegend stattfinden würde. Die gesamte Expedition würde drei Tage dauern. Claire hasste geführte Expeditionen. In diesem Augenblick entdeckte sie „ihren“ Badeanzug in einem Schaufenster. Kurz entschlossen betrat sie den Laden und erstand ein hellrosa Stück Nichts, das sie vor Alfred lächelnd an ihren Körper hielt. Irgendwie liebte sie ihn eben doch in seiner jungenhaften Hilflosigkeit. Keinesfalls würde sie an dieser dreitägigen Expedition teilnehmen. Auf sie wartete der schönste Hintern in Amalfi – sie würde ihn in diesem süssen Badekleidchen fertig machen, den Mann, der zu diesem Hintern gehörte.

Am nächsten Morgen lief alles wie geplant. Um 08.00 Uhr stand Claire auf, machte sich im Badezimmer zurecht und drückte Alfred einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Ihr Herz klopfte so stark, dass sie befürchtete, er könnte es hören. Seine Expedition war auf 10.00 Uhr angesetzt. Der Strand war menschenleer. Claire hatte genügend Zeit, ihre Beine auf mehrere unterschiedliche Arten zu arrangieren. Ihre Beine waren ihr Kapital. Wohlgeformt wie in einer Frauenzeitschrift waren sie, bereit für all die aufreizenden Spielchen, zu denen sie aufgelegt war. Da stockte ihr Atem.

Genau vor ihr bewegte sich eine knackige, schwarze Badehose. Sie konnte nur IHM gehören. Sebst sein Rücken war einmalig; athletisch spannte sich der Trapezius – zudem war der Prachtskerl unbehaart, im Gegensatz zu Alfred: Dessen affenartigen Flaum am Rücken fand Claire absolut peinlich. Der Panther tänzelte in Richtung Meer, schritt dann zügig den Wellen entgegen und verschwand in den Fluten. In einem kurzen Moment der Entspannung blickte Claire um sich.

Nicht weit von ihr waren zwei Liegestühle aufgestellt; der eine davon war leer. Auf dem andern räkelte sich eine Oben-Ohne-Blondine, die genau so aussah, wie die Italiener die Frauen mochten. Kritisch sah Claire an sich herunter. Ihre Figur war auch nicht von schlechten Eltern, selbst wenn sie in ausgeschnittenen Abendkleidern ihrem Busen ein wenig Halt geben musste. Der Po war aber völlig o.k. – und ihre Beine stärkten ihr Selbstbewusstsein. Da erhob sich das Mädchen vom Liegestuhl und kam auf Claire zu. Sie hatte ein harmloses Gesichtchen, nichtssagende Titten und hohe Hüftknochen. An der linken Fessel trug das Weib ein Kettchen. Als sie aufs Meer zuging, starrte Claire neidvoll auf ihren Hintern.

Sie ging zu IHM, spielte mit IHM, lachte mit IHM, spritzte IHN an. Claire hätte in den Liegestuhl beissen können. War sie blöd? Hatte sie sich wirklich eingebildet, dass dieser Prachtsbolzen… IHR gehören könnte? Sie biss auf ihre Unterlippe und setzte sich kerzengerade auf. Die beiden Wasserratten kamen zurück und machten es sich auf ihren Liegestühlen bequem. Das war Claires Chance. Sie streckte sich, machte ein paar Armübungen, zog den Bauch ein, presste ihren Busen nach vorn und ging direkt auf die beiden Liegestühle zu. Im Blickfeld des Knackarschs verlangsamte sie den Schritt und ging mit hüftbetontem Gang über den noch kühlen Sand. Er hatte eine schwarze Sonnenbrille an; Claire hatte keine Ahnung wohin seine Augen zielten. Womöglich an ihr vorbei in den azurblauen Himmel.

Sie blieb lange unter Wasser und überlegte sich, ob sie je wieder auftauchen sollte. Sie machte sich hier lächerlich, das war klar. Aber sie WOLLTE ihn, und zwar rasch. Ob er auf Frauen in nassen Badeanzügen stand? Sie vermutete, dass ihr neues Teil mehr von ihrem Körper preisgab, als ihr lieb war. IHM hingegen… würde sie sich gern zeigen, mit kecken Nippeln, die den Badeanzug von sich stiessen, mit den Konturen ihres Nabels, mit ihrer angedeuteten Spalte. Nur eben: HINGUCKEN musste er – und zwar, so lange der Einteiler noch nass war. Als sie wie einst Halle Berry dem Meer entstieg, war der Panther verschwunden. Claire blieb nichts anderes übrig als sich hinzulegen und von seinen wundervollen dunklen Augenbrauen zu träumen. Von seinen Augenbrauen und allem, was sich weiter unten befand.

Am Abend liess sie das Gequassel von Alfred über sich ergehen und kaute lustlos an ihrer Pizza Quattro Stagioni. Nicht einmal der Vino Brunello di Montalcino wollte ihr schmecken – sie spielte mit fernem Blick die aufmerksame Zuhörerin. Vom fernen Blick merkte Alfred nichts. Als er später an jenem Abend mit kurzen, kräftigen Stössen in sie drang, hätte sie kotzen können. Was bildete er sich eigentlich ein? Flitterwochen bedeuteten doch noch lange nicht, dass er sie einfach haben konnte, jederzeit und immerdar? Um ein Uhr Morgens streichelte sie sich in den Schlaf und träumte von einer gigantischen Confiserie. Die Sahne-Baisers waren geformt wie der Knackarsch ihres Super-Panthers.

Sie kaufte sich gleich mehrere Schachteln der Delikatesse – und erwachte enttäuscht neben dem schnarchenden Alfred. Wenn er sich doch wenigstens die Nasenhaare rasieren würde! Zwei Tage lang darbte Claire dahin, zwei Tage lang ereignete sich gar nichts – niemand zeigte sich, weder der Billard-Prinz noch sein Blond-Tüpfelchen. Dann, am Samstag, erschien ER wieder. Direkt vor Claire machte ER Liegestütze; sie war elektrisiert und starrte auf die Stelle, an der seine Schenkel zusammentrafen. Dann stand er auf und kam auf sie zu. Dieses dichte, dunkle, wundervolle Haar. Aus der Nähe wirkte er noch unwiderstehlicher. „Darf ich mich vorstellen? Roberto“ sprach er sie an und hockte sich neben sie in den warmen Sand. „Ich beobachte Sie seit längerer Zeit… Sie tun mir Leid. Ich muss es Ihnen einfach sagen.“
Claires Augen weiteten sich; sie näherte sich einem Kollaps. „Ihr… Mann schläft mit meiner Michelle. Sie hat mir das gestern gestanden; die beiden waren zwei Tage lang zusammen auf dieser Expedition.“ Claire atmete tief durch. „Ich werde noch heute abreisen“, bemerkte der Adonis, „und Ihnen wünsche ich alles Gute. Sie haben das nicht verdient.“

Mit tränenerstickter Stimme verabschiedete er sich von Claire und verschwand mitsamt seinem Hintern hinter der Strandmauer. „Sau!“ schrie sie, „verdammte Alfred-Sau! Nimmst mich mit in die Flitterwochen, versprichst mir das Blaue vom Himmel, von dem, was aber wirklich in Deinem Schädel vorgeht, weiss ich nichts!“ Sie schlug mit den Händen in den Sand, dass es nur so spritzte.

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